Archäologie "Das einzige auf der Welt" – Rohes Ei aus der Römerzeit fasziniert Forscher

Der unscheinbar wirkende Fund der Archäologie hat es in sich: In dem 1700 Jahre alten Ei aus der Römerzeit schwimmt noch eine Flüssigkeit aus Eigelb und Eiweiß.
Der unscheinbar wirkende Fund der Archäologie hat es in sich: In dem 1700 Jahre alten Ei aus der Römerzeit schwimmt noch eine Flüssigkeit aus Eigelb und Eiweiß.
© Screenshot / Oxford Archaeology
Dass Archäologie spannend sein kann wie ein Krimi, beweist ein Fall aus England. Dort buddelten Archäologen einen Gegenstand aus der Römerzeit aus – ein rohes, intaktes Hühnerei.

Wer Asterix gelesen hat, weiß, dass die Römer auch in Großbritannien waren. In den Jahren 43 vor Christus bis 440 nach Christus herrschten die Besatzer auf Teilen der britischen Inseln, hinterließen Bauwerke und Spuren in der Landessprache. Und – ein ungekochtes Hühnerei.

Jenes Ei wurde bereits vor mehreren Jahren in Mittelengland ausgegraben und schafft es aktuell immer wieder in die Schlagzeilen. Die BBC berichtete jüngst wieder darüber, ebenso wie internationale Medien und die Lokalzeitung des Ortes Aylesbury in Buckinghamshire. Der Ort liegt nordwestlich von London, zwischen Oxford und dem Flughafen Luton.

In den Jahren 2007 bis 2016 fanden hier, im Ortsteil Berryfields, Ausgrabungen statt an einer Stelle, wo ein neues Wohngebiet entstehen sollte. Spuren der Römer zu entdecken, ist noch heute an vielen Orten der Insel möglich. In der Nähe verlief eine alte Straße aus der Römerzeit. Das sich hier archäologische Schätze finden ließen, war also nicht unwahrscheinlich.

Was die Forscherinnen und Forscher freilegten, waren vor allem Alltagsgegenstände. Sie stießen auf eine mit Wasser gefüllte Grube, deren ursprünglicher Nutzen wohl ein Wasserspeicher fürs Brauen war. Später in jenen antiken Zeiten jedoch – vielleicht als die Grube nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt wurde – warfen Menschen dort Dinge hinein, darunter alte Schuhe, geflochtene Körbe und wahrscheinlich auch Brot

Archäologie fördert eine Menge Alltagsgegenstände zu Tage

Aus welchem Grund sie das taten, ist nicht klar, da aber auch Münzen und Tierknochen bei den archäologischen Grabungen gefunden wurden, könnten es Opfergaben gewesen sein, wie es in mehreren Berichten zu dem Fund heißt. Obelix würde sagen: "Die spinnen, die Römer."

Irgendjemand muss auch mehrere Eier hineingeworfen haben. Und bei einem davon schafften es die Archäologen tatsächlich, es – gute 1700 Jahre später – intakt zu bergen. 

Die Welt der Altertumswissenschaftler ist seitdem hin und weg von dem Fund. Das Ei wurde per Scan untersucht, wobei herauskam, dass sich im Innern eine Flüssigkeit befindet, die vermutlich eine Mischung aus Eigelb und Eiweiß ist. Seit der Römerzeit war es also in jener englischen Schlammgrube konserviert worden. Essbar sei es wohl aber nicht mehr, heißt es trocken in einem der Artikel zu dem Fund.

Zu mehreren Forschungseinrichtungen wurde das Ei inzwischen quer über die Insel gefahren und geschleppt, um es zu untersuchen. Ganz lustig ist zu lesen, wie ein Archäologe mit dem Ei in der Londoner U-Bahn fuhr. "Es war ein bisschen heikel in der Tube", sagte Douglas Russell vom Natural History Museum der BBC. "Obwohl es natürlich gut geschützt war. Ich habe es ja nicht gerade in meiner Hosentasche getragen".

Aktuell wird diskutiert, wie man an den Inhalt kommt. Das könne man vielleicht in etwa wie beim Eier-Auspusten zu Ostern machen, nur viel feiner und filigraner, erklärte Ausgrabungsleiter Edward Biddulph der BBC. Denn das Ei solle auf keinen Fall zerstört werden.

Die anderen Eier aus der Römerzeit zerbrachen und müffelten sehr

Leider war genau das unabsichtlich mit den anderen Eiern aus der Grube während der Ausgrabung passiert. Deren Inhalt habe "fürchterlich gestunken", heißt es in den Berichten über den Fund.

Über die archäologischen Funde von Berryfields ist inzwischen ein Buch erschienen. Das Ei elektrisiert die Forscher deshalb so sehr, weil es wohl weltweit das einzig bekannte rohe Hühnerei ist, das ein derartiges Alter hat. Damit erscheint es aktuell noch faszinierender als beispielsweise Dinosaurier- oder andere mumifizierte Eier aus uralten Zeiten.

Dass es ein Hühnerei ist, wird allerdings bislang nur vermutet. Klarheit darüber und viele andere Umstände sollen die kommenden Forschungen bringen, heißt es in Artikeln zu dem Fall.

Ausgrabungsleiter Biddulph ist sich sicher: "Das Ei hat riesiges Forschungspotenzial", wie er in der "Frankfurter Rundschau" zitiert wird. Die Wissenschaft wolle klären, was für eine Art von Huhn das Ei vor mehr als eineinhalb Tausend Jahren legte und wie in römischer Zeit Hühner und andere Vögel gehalten wurden. Eine Menge Arbeit liegt also noch vor den Forschern. "Das Ei gibt noch immer seine Geheimnisse preis", zitierte die BBC Ausgrabungsleiter Biddulph.

In Buckinghamshire ist man sehr stolz auf das römische Ei. Intakt und mit der Flüssigkeit im Innern sei es dies "das einzige auf der Welt", von dem man wisse, schreibt auch die örtliche Verwaltung der Region, in der das empfindliche Fundstück derzeit auch wieder aufbewahrt wird. Als man vor Jahren dort in Mittelengland gebuddelt habe, sei überhaupt nicht abzusehen gewesen, welche Sensation sich dort verberge.

Die Arbeit von Archäologen ende eben nicht, wenn sie die Ausgrabungsstätte verlassen, resümiert der Buckinghamshire Council auf seiner Website. Und so wird man von dem römischen Ei vermutlich noch öfter hören und lesen.

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