Es gibt Ereignisse, da ist das Leid der Opfer trotz aller eindrücklichen Berichte und Schilderungen nur schwer zu fassen. Wer kann das Elend auch nur erahnen, wenn von 90, 900 oder wie jetzt beim Beben in der Türkei von mehr als 9000 Toten die Rede ist, wenn Bilder und Videos Tod und Zerstörung im Minutentakt zeigen, zusammengestürzte Häuser, Helfer, die mit bloßen Händen in den Trümmern nach Überlebenden suchen.
Doch manchmal, in all dem Elend, gibt es diesen einen, ganz besonderen Moment, in dem sich die Tragik des Unbegreiflichen bündelt. Für solch einen Moment während der Bergungsarbeiten nach dem verheerenden Beben in der Türkei und Syrien hat Mesut Hancer in der schwer getroffenen Stadt Kahramanmaras gesorgt. Mit starrem Blick sitzt Hancer in den Trümmern eines Hauses. Bekleidet ist er mit einem auffälligen, orangefarbenen Anorak. Doch was den Blick des Beobachters einfängt, ist seine linke Hand, die sich auf einer Matratze um eine andere, kleinere Hand klammert. Es ist die Hand seiner 15-jährigen Tochter Irmak, die dort tot unter den Trümmern liegt.
Hancer hält die Hand seiner toten Tochter nach dem Erdbeben
Hancer weint nicht, er schreit nicht. Seine Augen sind leer. Er kann nichts mehr tun. Aber er lässt die Hand seiner toten Tochter nicht los.
Der Fotograf Adem Altan hat die Szene für die Nachrichtenagentur AFP dokumentiert. Sein Foto von Mesut Hancer und seiner toten Tochter hat inzwischen den Weg um die Welt gemacht. Medien aus Großbritannien, den USA und Asien berichten über den in Trümmern trauernden Vater. "Dieses Foto hat das Herz der Welt gebrochen", betitelt die oft nicht sonderlich einfühlsame "Daily Mail" das Bild – und trifft damit ausnahmsweise den Ton.
Schnee und Kälte behindern die Rettung: Türkei und Syrien kämpfen um Verschüttete

So wie im Jahr 2015 das Bild der in Griechenland angeschwemmten Leiche des dreijährigen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi zum Sinnbild der Flüchtlingskrise geworden ist, ist das Bild des verzweifelten Mannes in seiner orangenen Jacke zur Ikone des Elends nach dem Beben in der Türkei geworden. Der Trauer. Der Hilflosigkeit.
Mehr als 9300 Tote sind inzwischen geborgen worden. Die Zahl dürfte weiter steigen. Mesut Hancer hat ihnen allen nun ein Gesicht gegeben.