In Mittelitalien muss nach Expertenangaben im Schnitt alle zehn Jahre mit einem Erdbeben der Stärke 6 und mehr gerechnet werden. "Grund ist - vereinfacht gesagt - der Druck Afrikas auf den europäischen Kontinent", erläutert der Direktor der Sektion Erdbebenrisiko und -frühwarnung am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam, Jochen Zschau. Das Beben, das am frühen Montagmorgen Mittelitalien erschütterte, hatte nach Berechnungen des GFZ eine Stärke von 6,2; italienische Experten sprachen zunächst von 5,8.
Die Stärke von Erbeben wird mit einer Ziffer angegeben. Dabei kennzeichnet der Wert - die sogenannte Magnitude - die Stärke der Bodenbewegung. Jeder Punkt bedeutet etwa eine Verzehnfachung der Bebenstärke. Ein Erdbeben der Magnitude 5,0 ist also zehn Mal so stark wie eines der Magnitude 4,0. Ein Beben der Stärke 1 bis 2 ist nur durch Instrumente nachweisbar, ein Beben der Stärke 6 hat hingegen meist Tote und schwere Schäden in dicht besiedelten Regionen zur Folge. Bei einem Unglück der Stärke 8 sprechen Experten von einem Groß-Beben.
Das schwerste Erdbeben in der Region mit rund 29.000 Todesopfern ereignete sich laut Zschau im Jahr 1915, es hatte historischen Angaben zufolge eine Stärke von 7,5. Zuletzt habe es 1997 in Zentralitalien ein ähnlich starkes Beben wie das aktuelle gegeben, damals wurde eine Stärke von 6,4 gemessen. Nach dem jüngsten Beben muss nach Angaben des Experten noch Wochen oder gar Monate mit Nachbeben gerechnet werden. "Diese können durchaus eine Stärke von 5 und mehr erreichen."
Derart schwere Erdstöße wie jetzt in Italien sind laut Zschau auch in Deutschland möglich - wenn auch nicht so wahrscheinlich wie in Italien. "Dass die Erde jetzt in Mittelitalien gebebt hat, bedeutet aber nicht eine erhöhte Gefahr für Deutschland", betonte der Geophysiker. Die Häuser etwa im Raum der gefährdeten Schwäbischen Alb oder der Niederrheinischen Bucht seien zwar sicherer als in Italien gebaut. "Eine Katastrophe wäre bei einem Beben der Stärke 6 aber nicht ausgeschlossen."
Nach Darstellung von Zschau sind viele Häuser in Italien trotz der bekannten Erdbebengefahr keineswegs erdbebengerecht errichtet. "Es ist Aufgabe der Regierung, dies zu ändern, aber auch das Bewusstsein der Bevölkerung muss geschärft werden." Denn leider würden die Menschen generell in gefährdeten Regionen schnell die Gefahren vergessen, wie er meint. "Wichtig ist, dass sich die Menschen immer bewusst sind, dass sie unter Risiken leben." Vor dem jüngsten Beben habe es bereits Erd-Aktivitäten unter Mittelitalien geben, betonte Zschau. "Aber leider weiß man erst hinterher, ob es sich um ein kleines Beben handelt oder eben einen Vorläufer eines größeren Erdbebens."
Weltweit ereignen sich jährlich etwa 50.000 Beben der Stärke 3 bis 4, 800 der Stärke 5 oder 6 und durchschnittlich ein Groß-Beben. Das stärkste auf der Erde gemessene Beben hatte eine Magnitude von 9,5 und ereignete sich 1960 in Chile.