Ein Familienmitglied erleidet einen Herzinfarkt, man wählt den Notruf und erreicht: niemanden. Diese Horrorvorstellung ist in Frankreich Realität geworden. "Es muss gegen 18 Uhr gewesen sein und alle Rettungsdienste begannen, vor Problemen in den Callcentern zu warnen. Die Leute konnten nicht auf den Dienst zugreifen, Anrufe kamen nicht an, andere wurden mitten in einem Gespräch unterbrochen", sagte François Braun, Präsident des französischen Rettungsdienst-Verbandes und Notarzt, laut "Le Monde". "Wir haben sehr schnell eine kleine Tour durch Frankreich gemacht und festgestellt, dass fast alle Départements betroffen waren."
Auch bei Polizei und Feuerwehr kamen viele Anrufer nicht durch – mit schwerwiegenden Folgen. Nach Angaben der französischen Regierung sind vermutlich mindestens drei Todesfälle darauf zurückzuführen. Innenminister Gérald Darmanin nannte die Panne bei dem größten Telekom-Anbieter Orange "gravierend und inakzeptabel".
Drei Tote durch Notruf-Ausfall?
Innenminister Darmanin sagte, nach bisherigen Erkenntnissen hätten drei Herzkranke nicht rechtzeitig Hilfe holen können: einer im nordwest-französischen Département Morbihan. "Zwei weitere Herz-Kreislauf-Unfälle" ereigneten sich auf La Réunion, sagte Darmanin laut "Le Figaro". Die Insel im Indischen Ozean ist ein Übersee-Département Frankreichs. "Aber ich kann nicht sagen, ob die Zeit (bis zum Eintreffen von Hilfe, d. Red.) besonders lang war und ob sie auf diese Notrufnummer zurückzuführen ist", sagte der Innenminister weiter. "Sicher ist, dass die Leute ausgesagt haben, dass sie mehrmals versucht haben, anzurufen und dass es ihnen nicht sofort gelungen ist, eine Verbindung zu bekommen".
So reagiert man im Notfall

Zuerst sollte man den Betroffenen ansprechen und Lebenszeichen kontrollieren. Ist die Person ansprechbar und atmet sie? Wenn mehrere Personen vor Ort sind, kann auch hier schon jemand den Notruf wählen, während der andere sich mit der betroffenen Person befasst.
Bei Orange sucht man noch nach der Ursache der massiven Störung. "Es kommt vor, dass es gelegentlich zu Ausfällen kommt, aber wir haben noch nie einen in dieser Größenordnung erlebt", sagte ein Pressesprecher des Betreibers laut "Le Monde". Er berichtet, dass der Ausfall das Ergebnis einer "technischen Störung an einem Router-artigen Gerät war, das den Datenverkehr überträgt". Aber "wir wissen noch nicht, ob es ein Problem mit dem Gerät selbst oder mit seinen Einstellungen ist", sagte er "Le Monde". Während der Nacht wurden die Geräte umkonfiguriert, ohne dass ein physischer Eingriff erfolgte.

Innenminister bestellt Telekom-Chef ein
Der Chef des Telekom-Anbieters Orange, Stéphane Richard, wurde deshalb für Donnerstagmorgen ins Innenministerium zitiert. Orange - das frühere Staatsunternehmen France Télécom - bat die Kunden für die Panne um Entschuldigung. Techniker arbeiteten "mit Hochdruck daran, die Dienste so bald wie möglich wieder voll zugänglich zu machen", erklärte der Konzern. Einen Hackerangriff schloss ein Insider aus.
Für die Hinterbliebenen der Verstorbenen wird die Entschuldigung des Konzerns kaum ein Trost sein.
Quellen: AFP, "Le Monde", "Le Figaro".