Der Förster wirkt sichtlich erschüttert. Er erzählt von der großen Brandkatastrophe in seinem Waldgebiet, von Tierschädeln, die nach dem Inferno zwischen den verkohlten Baumstümpfen liegenblieben und von erstickten Rehen, die tot in der verkohlten Mondlandschaft lagen, die einst ein lebendiger Wald war. Und er erzählt von Rehen, deren Hufe so verbrannt waren, dass die Tiere tagelang reglos auf ihren Knochenstümpfen standen. Bis sie geschossen wurden.
Aber immerhin – der Förster selbst und seine Kollegen sind unverletzt. Nach diesem Inferno im Spätsommer 1975 nicht selbstverständlich. Denn damals starben auch Menschen in den Flammen. Sechs Feuerwehrleute und ein Polizist ließen bei den Einsätzen ihr Leben.
Erinnerungen werden durch Feuer in Australien wach
Die Erzählung des Försters ist Teil eines Filmberichts des NDR über die Brände, die vor mehr als 40 Jahren in der Lüneburger Heide loderten. Bis heute sind die Erinnerungen vieler Menschen in Norddeutschland daran noch wach – und sie werden aufgefrischt durch die Nachrichten von den aktuellen Buschbränden in Australien. Die Hilflosigkeit angesichts der Flammen, der Rauchgestank, die Angst, die Trauer – viele Menschen in Niedersachsen haben aus eigener Erfahrung eine Ahnung davon, was die Bewohner der Brandgebiete am anderen Ende der Welt gerade durchmachen. Bis heute gelten die niedersächsischen Wald- und Moorbrände im August 1975 als größte Waldbrandkatastrophe in Deutschland.

Das Inferno breitete sich damals sehr schnell über Teile des norddeutschen Flächenstaats aus: Innerhalb weniger Tage entwickelten sich im Regierungsbezirk Lüneburg fünf Großbrände. Die Feuer zerstörten eine Fläche von knapp 13.000 Hektar, darunter 7500 Hektar Wald. Zum Vergleich: Jüngste Zahlen gehen für die aktuellen Buschbrände in Australien von einer betroffenen Fläche von mindestens 11,8 Millionen Hektar aus.
Etwa 13.000 Feuerwehrmänner waren damals im Einsatz, zunächst aus der unmittelbaren Umgebung, später auch aus anderen Bundesländern.
Ursachen für die Waldbrände in Niedersachsen bis heute unklar
Was die Feuer in Niedersachsen damals auslöste, konnte nie abschließend geklärt werden. Laut NDR kamen möglicherweise mehrere Ursachen zusammen: Über brennende Zigaretten, Funkenflug von Zügen der Bahn, aber auch Brandstiftung wird bis heute spekuliert. Vermutlich genügte damals schon ein kleiner Brandherd, um ein Großfeuer auszulösen. Denn es war sehr heiß an jenem 8. August 1975, als in Stüde im Landkreis Gifhorn das erste Feuer ausbrach. In Teilen Niedersachsens, so ist es in den Berichten über die damalige Katastrophe nachzulesen, habe es gut zwei Monate nicht mehr geregnet. Tagsüber stiegen die Temperaturen konstant über 30 Grad.
Damals bestand die Fläche des betroffenen Regierungsbezirks Lüneburg etwa zu knapp einem Drittel aus Wald. Etwa vier Fünftel davon waren Kiefern. Wegen Abholzungen in den Nachkriegsjahren und Schäden durch Stürme und vorherige Brände standen dort überwiegend Gestrüpp und junge, dünne Nadelbäume. Solche Nadelbaum-Monokulturen sind besonders waldbrandgefährdet, dort kann sich ein Feuer am Boden schnell zu einem Vollfeuer ausdehnen. Ausgedörrte Heidelandschaften sollten ebenfalls leichte Beute für die Flammen werden.
Aus dem All war eine riesige Rauchfahne zu sehen
Trockenheit, Hitze, viele potenziell brennbares Holz und Gestrüpp und dann noch ein starker Wind – eine gefährliche Mischung, die binnen kurzer Zeit eine Katastrophe auslöste. Mehr als eine Woche lang waren die Brände in den Landkreisen Celle, Gifhorn und Lüchow-Dannenberg die wichtigsten Meldungen in den bundesdeutschen TV-Nachrichten, Zeitungen und Radiomeldungen. Dörfer wurden evakuiert, und schließlich wurde auch die angrenzende DDR vor der Brandgefahr gewarnt. Ein sowjetischer Satellit filmte damals im All die Katastrophe am Boden. Zu sehen auf dem Bild: eine 250 Kilometer lange Rauchfahne.

Verschlimmert wurde die Lage in den Brandgebieten, so ist es in Berichten über Deutschlands verheerendstes Großfeuer zu lesen, durch Einsatzfehler und Kompetenzgerangel. Es gab zu wenig Löschwasser, keine einheitlichen Funkverbindungen und keine zentrale Steuerung für den Alarm. Nicht nur waren manche Brandherde schlecht zu erreichen, weil es teils kaum befahrbare Wege dorthin gab. Manche Verantwortliche waren zunächst der Meinung, das Feuer mit dem wenigen eigenen Personal vor Ort bekämpfen zu können und verzichteten auf Verstärkung. Fünf Feuerwehrleute wurden in den ersten Tagen des Einsatzes von einer Feuerwalze überrollt und getötet – der Wind hatte gedreht, die Flammen schnitten ihnen den Weg ab.
Die Brände verbreiteten sich schnell in der Gegend. Erst zwei Tage nach Ausbruch der ersten Feuer, am 10. August, erklärte der damalige Lüneburger Regierungspräsident den Katastrophenfall – damit war der Weg frei für Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern. In den folgenden Tagen bekämpften Tausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet die Feuer, darunter auch viele Einsatzkräfte von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz. Panzer der Bundeswehr schlugen Schneisen durch Wälder, um das Inferno einzudämmen. Auch in der Lüneburger Heide stationierte Soldaten aus Großbritannien und den Niederlanden beteiligten sich an der Brandbekämpfung.
Nach zehn Tagen waren die Brände unter Kontrolle
Doch der Einsatz war schwierig, auch wegen des unwegsamen Geländes. Die Feuer loderten noch Tage nach Auslösung des Katastrophenfalls weiter, bis am 18. August – zehn Tage nach Ausbruch der ersten Brände – der Katastrophenalarm für beendet erklärt wurde.
Auch in den folgenden Jahren gab es größere Feuer in Deutschland, darunter mehrere schwer zu löschende Moorbrände, die ebenfalls tagelang Thema in den Medien waren. Doch keines war so verheerend wie die großen Brände bei Lüneburg im August 1975.
Quellen:NDR, mit Informationen von DPA
Bitte spenden Sie für die Opfer der australischen Buschbrände. Wir leiten Ihre Hilfe weiter. IBAN DE90 2007 0000 0469 9500 01 BIC DEUTDEHH – Stichwort: "Australien"; www.stiftungstern.de