Nordkorea "Die Zahl der Toten kann noch steigen"

Bei dem Zugunglück in Nordkorea sind nach ersten Angaben des Roten Kreuzes mindestens 54 Menschen ums Leben gekommen. Rund 1250 Menschen seien verletzt. Nordkoreas Führung hat das Unglück bislang nicht bestätigt.

Bei dem Zugunglück in Nordkorea sind nach Angaben des Roten Kreuzes mindestens 54 Menschen ums Leben gekommen. Rund 1250 Menschen seien verletzt, sagte ein Vertreter der Hilfsorganisation. 1850 Häuser seien in dem Unglücksort Ryongchon im Grenzgebiet zu China völlig, 6350 weitere teilweise zerstört. Die Zahl der Toten könne noch steigen. Die nordkoreanische Führung hat das Unglück bislang nicht bestätigt.

Derweil hat auch die südkoreanische Regierung Berichte über das verheerende Bahnunglück in Nordkorea offiziell bestätigt. Es habe eine Explosion gegeben und eine große Zahl von Menschen sei ums Leben gekommen oder verletzt worden, sagte Vereinigungsminister Jeong Se Hyun vor Reportern in Seoul, ohne jedoch Zahlen zu nennen. Viele Einzelheiten blieben weiter unklar, fügte er hinzu. Ohne eine Erklärung aus Nordkorea könne das volle Ausmaß der Schäden nicht bestimmt werden.

China bietet Hilfe an

Die chinesische Regierung habe Nordkorea mitgeteilt, Verletzte nach China bringen zu können. Nordkorea habe aber darum gebeten, dass China medizinisches Personal schicke, sagte Jeong. "Ich denke Nordkorea benötigt medizinische Versorgung." Zugleich bot der Minister Nordkorea Hilfe an. Nach südkoreanischen Medienberichten wurden möglicherweise bis zu 3000 Menschen getötet oder verletzt, als am Donnerstag zwei Frachtzüge zusammengestoßen und dann explodiert seien.

Das verheerende Zugunglück in Nordkorea passierte offensichtlich auf einer Nebenstrecke der eingleisigen Hauptverbindung zwischen China und der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Die für die Eisenbahn zuständigen Zollbehörden in der chinesischen Grenzstadt Dandong berichteten am Freitag, der Zugverkehr mit Fracht- und Personenzügen auf der Hauptverkehrsachse zwischen China und Nordkorea laufe am Tag nach der Katastrophe "völlig normal".

Ortskenner an der Grenze gingen davon aus, dass das Unglück auf einem Nebengleis oder einer kurzen Ausweichstrecke passiert ist, auf dem Züge mit Flüssiggas, Öl oder anderem Gefahrgut beladen werden oder vorübergehend warten, um Personenzüge passieren zu lassen. In dem Gebiet der 30 000 bis 40 000 Einwohner zählenden Stadt Ryongchon, wo das Unglück passierte, sind 1998 Ölvorkommen gefunden worden. Mit der Förderung wurden auch Öltanks gebaut.

"Zusammenstoß unmöglich"

"Es ist unmöglich, dass zwei Züge im Bahnhof von Ryongchon zusammenprallen", sagte der Nordkorea-Kenner Wang Hui von der chinesisch-nordkoreanischen Freundschaftvereinigung in Peking, der mehrmals in dem Ort war, zu den Spekulationen über mögliche Unglücksszenarien. "Die Geschwindigkeit der Züge ist sehr langsam." Im Bahnhof erreiche sie Schritttempo. Er ging davon aus, dass die Explosion möglicherweise auf einem der Nebengleise nahe der Öltanks passiert ist.

Nach Angaben der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua aus Pjöngjang soll die Ursache ein Leck mit auslaufendem Ammoniumnitrat gewesen sein, ohne dass Einzelheiten geschildert wurden.

Informationen als Mangelware

Nach Einschätzung von Amnesty International herrscht in Nordkorea ein "absoluter Mangel an Information". "Die Radiogeräte haben beispielsweise nur einen einzigen Sender eingestellt und es ist verboten, Radiogeräte aus China zu importieren", sagte Roland Brauckmann, Nordkorea-Experte bei der Menschenrechtsorganisation am Freitag der dpa-Rundfunkagentur Rufa. Die Regierung des Landes schließe Informationen aus dem Ausland so gut wie aus.

Seit 1994 herrsche eine permanente durch Überflutungen und Misswirtschaft des Regimes verursachte Hungersnot. "Es verhungert keiner direkt, aber die Bevölkerung ist in ihrem Knochenbau - wie jetzt deutsche Ärzte analysierten - drei Jahre zurück." Die Deutsche Welthungerhilfe und das World Food Programme der UN arbeiteten noch in Nordkorea. Die Hilfsorganisation Cap Anamur habe sich im vorigen Jahr zurückgezogen, weil sie den Verbleib der Hilfslieferungen nicht mehr kontrollieren konnte.

Brauckmann sagte, es sei immer wieder zu sehen, dass das Regime nicht viel auf Menschenleben gebe. "Amnesty International hat im Januar einen Bericht veröffentlicht über den Umgang mit verschiedenen Kategorien Mensch. Es gibt in Nordkorea wirtschaftlich unnötige Menschen, die nicht der politischen Nomenklatura oder der Armee angehören und die so wenig Lebensmittel bekommen in der Verteilung, dass eigentlich ein Überleben dieser Familien unmöglich ist."

Experte fordert mehr Lebensmittel für Nordkorea

Der Experte forderte, mehr Lebensmittel nach Nordkorea zu liefern: "Die Menschen in Nordkorea müssen einmal das Recht auf Leben gewährleistet bekommen, das heißt Lebensmittel. Kein Embargo, sondern mehr Lebensmittel - auch wenn nicht genau gewährleistet ist, wohin die Lebensmittel gelangen", sagte Brauckmann. "Und die wichtigste Frage für uns ist natürlich: Dürfen die Bürger von Nordkorea freien Zugang zu Informationen bekommen, dürfen sie Reisefreiheit bekommen, Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit."

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