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Syrer macht FSJ Wie ein Flüchtling Flüchtlingen hilft

Er weiß genau, was Flüchtlinge durchmachen - denn vor einem guten Jahr kam er selber als Flüchtling nach Deutschland. Nun macht Bander Alkorsan ein Freiwilliges Soziales Jahr und hilft in einer Flüchtlingsunterkunft.

Bander Alkorsan stellt Stühle in langen Reihen auf. Graue Plastikstühle auf grünem Teppichboden. Der Blick aus dem Fenster des fünften Stocks der Flüchtlingsunterkunft in Hoyerswerda zeigt leere Betonstraßen und grau-braune Hochhäuser. "Gleich gibt es für die Kinder Geschenke vom Nikolaus", sagt der 24-jährige Syrer. Eine Kirchengemeinde aus dem Nachbarort will den Flüchtlingskindern eine Freude machen. Alkorsan läuft hinaus auf den Flur und ruft die Kinder zusammen. Überall gehen Türen auf, stürmen Kinder heraus.

Alkorsan macht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Flüchtlingsunterkunft der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Vor etwas mehr als einem Jahr kam er selbst als Flüchtling nach Deutschland, hat fünf Monate in einer Flüchtlingsunterkunft in Hoyerswerda gelebt. Jetzt hilft er Flüchtlingen, die neu in Deutschland angekommen sind. "Jemand hat mir erzählt, dass sie hier Freiwillige brauchen und ich habe gesagt: Ich helfe", erzählt der junge Mann.

Freiwilligenprogramm bislang nur in Sachsen

Für das FSJ in der Flüchtlingshilfe hat das Land Sachsen ein Sonderprogramm mit 50 Plätzen aufgelegt, bislang als einziges Bundesland. Auch Flüchtlinge können sich für den Freiwilligendienst bewerben. In anderen Bundesländern arbeiten Flüchtlinge nach den erforderlichen drei Monaten Wartezeit oft zunächst als Übersetzer und Dolmetscher in den Erstaufnahmeeinrichtungen - teils ihren eigenen - und verdienen so erstes Geld, bevor sie auch in Deutschland eine Stelle in ihrem eigentlichen Beruf gefunden haben. Den Freiwilligendienst können sie bislang jedoch nur in Sachsen absolvieren.

Inzwischen gibt es deutschlandweit die Möglichkeit zu einem Bundesfreiwilligendienst (BFD) in der Flüchtlingshilfe, aber die Stellen werden erst langsam besetzt. Alkorsan arbeitet schon seit Ende Oktober in Hoyerswerda, dem Tag, als das ehemalige Bürogebäude seine Türen für Asylbewerber öffnete.

Hoyerswerda hat in Sachen Flüchtlingshilfe nicht den besten Ruf. Seit Anfang der 1990er Jahre steht der Name des Ortes neben Solingen oder Rostock-Lichtenhagen für rechte Gewalt gegen Ausländer. Das Flüchtlingsheim, das damals angegriffen wurde, stand in derselben Straße wie die Unterkunft, in der Alkorsan jetzt arbeitet. Auch in diesem Jahr wurden Unterkünfte in dem Ort attackiert. Alkorsan kennt die Vergangenheit, doch er sagt: "Ich lebe gern in Hoyerswerda, mir gefällt die Stadt." Die Mehrheit der Bevölkerung sei sehr hilfsbereit. "Ich fühle mich hier sicher."

Rechte Hand des Unterkunftsleiters

Rund 400 Flüchtlinge leben in der Unterkunft der AWO, sie kommen vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Alkorsan läuft durch die Gänge, ständig spricht ihn jemand an, fragt ihn um Rat. "Er hat die gleiche Situation wie die Flüchtlinge erlebt, das hilft uns sehr", sagt Unterkunftsleiter Ihab Jacoob. Und er spricht die gleiche Sprache wie viele der Flüchtlinge, kann auf Arabisch alles erklären. "Er ist meine rechte Hand", sagt Jacoob.

Alkorsan zeigt ein leeres Zimmer. "Hier muss ich noch Möbel aufbauen, Bett, Matratzen, Tisch", sagt er. Neben den Türen hängen noch Schilder mit den alten Büronummern. Aus den Küchen - es gibt zwei für jedes Stockwerk - zieht der Geruch von gebratenen Zwiebeln durch die Gänge. "Dieser Stock hier ist nur für Familien", erklärt Alkorsan. Flüchtlinge, die allein gekommen sind, teilen sich Zimmer weiter oben im Gebäude. Sechs Tage die Woche arbeitet Alkorsan in der Unterkunft. "Ich kann nicht zu Hause sitzen, ich will helfen."

"Man muss fleißig sein"

Doch Alkorsan hat nicht nur in der Unterkunft jede Menge zu tun. Häufig begleitet er Neuankömmlinge zur Ausländerbehörde, zum Jobcenter oder zum Arzt. "Dann bin ich auch Dolmetscher", sagt er. Erst vor einem halben Jahr hat Alkorsan angefangen, Deutsch zu lernen. Zunächst allein vor dem Computer, mit Übersetzungshelfern im Internet. "Man muss fleißig sein", sagt Alkorsan und lacht. Seit drei Monaten lernt er an einer Sprachschule, fährt dafür an vier Vormittagen in der Woche ins nahe gelegene Kamenz. Inzwischen kann er sich ziemlich flüssig auf Deutsch unterhalten.

Oben im fünften Stock hat der Nikolaus damit begonnen, Geschenke aus seinem Sack zu ziehen und an die Kinder zu verteilen. Alkorsan und die anderen Helfer haben alle Hände voll zu tun, zumindest das ganz große Chaos zu verhindern. Laut schreiend stürmen die Kinder auf den Nikolaus zu und reißen ihm Geschenke und Süßigkeiten praktisch aus den Händen. Ein Vater steht kopfschüttelnd, aber lächelnd am Rand.

Sein Traum: ein syrisches Restaurant

Bander Alkorsans FSJ hat gerade erst begonnen, doch Pläne für die Zeit danach hat er auch schon. "Ich will auf jeden Fall hierbleiben, in Hoyerswerda", sagt er. Vielleicht ein eigenes Geschäft aufmachen. "Ein syrisches Restaurant, das wäre toll!"

tkr/Simon Ribnitzky DPA

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