Kriegsverbrechen Er überlebte nur knapp: Ukrainer berichtet, wie ihm russische Soldaten ins Gesicht schossen und ihn lebendig begruben

Grab für Opfer des Krieges in der Ukraine
Grab für Opfer des Ukraine-Kriegs in Tschernihiw
© Andre Luis Alves / Picture Alliance
Nur mit viel Glück überlebte er die Hinrichtung durch russische Soldaten: Ein Ukrainer hat erzählt, wie ihn die Invasoren anscheinend misshandelten und seine Brüder töteten. 

Schon gut zweieinhalb Monate dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und immer wieder werden russische Kriegsverbrechen bekannt, die die Welt schockieren. Putins Soldaten schrecken offenbar auch vor brutaler Gewalt gegen Zivilisten nicht zurück. Mykola Kulichenko, ein Ukrainer aus der Nähe von Tschernihiw im Norden des Landes, hat unter anderem dem US-Sender CNN davon berichtet, wie er übel gefoltert wurde.

Der 33-Jährige lebte mit seinen beiden Brüdern und seiner Schwester in einem Dorf, das schon kurz nach Kriegsbeginn von den Russen besetzt wurde. Zunächst blieb alles noch weitestgehend ruhig, doch als es einen Anschlag auf eine russische Kolonne gab, machten Soldaten Kulichenko und seine Brüder dafür verantwortlich. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Russen alte Militärorden des Großvaters sowie einen Armeerucksack eines der Brüder, der früher bei den Fallschirmjägern war. Das reichte offenbar, um die Männer brutal zu misshandeln.

Ukraine-Krieg: Russen richten Brüder hin

Drei Tage lang sei er verhört worden, am vierten Tag habe die Folter begonnen, erzählte Mykola Kulichenko CNN: "Sie schlugen mich mit einer Metallstange am ganzen Körper und steckten mir den Lauf einer Pistole in den Mund." Bis zur Besinnungslosigkeit hätten ihn die Soldaten gefoltert. Anschließend wurden den Brüdern die Augen verbunden, sie wurden gefesselt und von den Invasoren in eine verlassene Gegend gefahren. Dort mussten sie knien, während die Soldaten ihre Gräber aushoben.

Kulichenko musste miterleben, wie seine beiden Brüder von hinten erschossen wurden. Da ihm die Augen verbunden waren, hörte er nur die Schüsse und spürte, wie die Körper neben ihm zu Boden fielen. Dann war er selbst an der Reihe: Die Kugel drang in seine linke Wange ein und trat neben dem rechten Ohr wieder aus. Offensichtlich hatten die russischen Soldaten die Hinrichtung unpräzise durchgeführt, das war Kulichenkos Glück: Seine einzige Überlebenschance sei es gewesen, sich tot zu stellen, erklärte er.

Von den Soldaten wurden die drei Männer notdürftig begraben. Er wisse nicht, wie lange er neben seinen toten Brüdern gelegen habe, unter der Leiche seines älteren Bruders, bis es ihm mit gefesselten Händen und Füßen gelungen sei, sich zu befreien, so Kulichenko. "Ich konnte kaum atmen, weil Dmytro auf mir lag, aber mit meinen Armen und Knien konnte ich meinen Bruder zur Seite drücken und hinausklettern."

Brutale Kriegsverbrechen

In der Dunkelheit fand er den Weg zum nächstgelegenen Haus, wo ihn eine Frau aufnahm. Später machte er sich auf den Weg nach Hause, wo seine Schwester angesichts des Verschwindens der drei Brüder völlig aufgelöst war. Auf ihre Frage, wo die anderen seien, antwortete Mykola Kulichenko nur: "Es gibt keine anderen."

Die Geschichte der Familie Kulichenko ist bei weitem kein Einzelfall in der Gegend. Anfang April zogen sich die russischen Truppen nach fünf Wochen zurück. Ermittler fanden mehr als 600 frische Gräber. Auch der Fall der Brüder von Mykola Kulichenko wurde untersucht: Die zuständigen Ermittler untersuchten das notdürftige Grab und bestätigten nach CNN-Angaben, dass die Männer gefesselt wurden und ihre Augen verbunden waren. Mykola Kulichenko konnte seine Brüder etwa einen Monat nach dem Tag, den er eigentlich nicht hätte überleben dürfen, angemessen beerdigen.

epp

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