Ein Tag Sonnenschein, am nächsten Morgen fällt der Blick in den wolkenverhangenen Himmel, kurz darauf schüttet es wie aus Kübeln. Der Sommer 2011 ist wenig zuverlässig – Temperaturabstürze, mehr Regen- als Sonnentage. Meteorologisch ausgedrückt: Neun Hochdruckgebiete stehen 18 Tiefdruckgebieten gegenüber. Grillpartys, Ausflüge zum Badesee und Kanutouren – fällt alles ins Wasser, buchstäblich. Schlechte Zeiten für Eisdielen, Biergärten und Freibäder. Deren Besitzer rechnen mit Umsatzeinbrüchen. Davon profitieren andere: Denn die Deutschen sichern sich in diesem Sommer einen Platz im Trockenen.
Kinos – ein zauberhafter Sommer
"Die Leute, die sonst ins Schwimmbad gehen, kommen jetzt ins Kino", berichtet etwa Udo Klein vom Odeon-Apollo in Koblenz. Seine einleuchtende Schlussfolgerung: "Wenn die Biergärten nichts zu tun haben, geht es den Kinos gut." Einzig für Open-Air-Kinos ist dieser Sommer ein Reinfall. "Ich habe festgestellt, dass sich hochprozentige Schnapsgetränke besonders gut verkauft haben", sagt eine Berliner Veranstalterin eines Open-Air-Festivals. Unglaublich findet hingegen Kinobetreiber Eduard Zeiler den Zulauf in Mainz: 7000 Gäste in zwei Programmkinos, fast doppelt so viele wie im Vorjahresmonat. 50 Prozent mehr Zuschauer auch in Düsseldorf. "Sonst schreiben wir im Sommer rote Zahlen", sagt Betreiber Kalle Somnitz. Ein bisschen liegt das aber auch an Harry Potter. Der letzte Teil der Saga um Zauberschüler Harry Potter hätte wohl auch bei 35 Grad im Schatten die Fans in die Kinosäle gelockt.
Museen – wegen Überfüllung geschlossen
Auch die deutschen Museen freuen sich über den Sommer 2011 – ganz gleich welch wissenschaftlicher Couleur. In das Naturkundemuseum in Münster kamen 20.000 Besucher - doppelt so viele wie im Vorjahr. Aus dem Museum zur Varusschlacht im Osnabrücker Land meldete Leiterin Heidrun Derks: "Unsere Besucherzahlen waren bombig." Gleich 60 Prozent mehr Besucher im Vergleich zum Vorjahresmonat kamen ins Bremer Überseemuseum. "Es war letztes Jahr im Juli eine Super-Hitze. Da waren die Museen leer", erläutert eine Sprecherin. Eng wurde es mit zeitweise mehr als 350 Besuchern im Otto-Lilienthal-Museum in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. "Das waren deutlich mehr Gäste als das Haus verträgt", stellte Geschäftsführer Bernd Lukasch fest. Das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund konnte dank des Gästeplus' zum Vorjahr die maue Frühjahrsbilanz ausgleichen. Im Nordosten der Republik war der Juli komplett verregnet, dort fiel gebietsweise so viel Regen wie sonst in einem halben Jahr.
Reisebüros – Flucht in den Süden
Wer kann, verlässt einfach die Schlechtwetterzone. Viele haben ihren Urlaub schon seit Monaten fest gebucht, sind ohnehin fein raus und mitten drin in der Sonne. Aber das miese Sommerwetter verleiht den spontanen Buchungen einen zusätzlichen Schub. 11,5 Prozent mehr Urlaubsreisen als im Sommer 2010 wurden für diesen Sommer in den Reisebüros laut Reiseanalyse "Travel Insights" des Konsumforschungsinstituts GfK gebucht. Ein Drittel der Urlaube, die im Juni gebucht wurden, waren kurzfristig geplante Ferien.
Sonnenstudios - künstliche Wärme fürs Gemüt
Wer sich die Flucht nach Südeuropa nicht leisten kann oder arbeiten muss, wählt künstliche Wärme. "Dieser Sommer ist für uns ein Traum. Das trübe Wetter treibt die Leute richtig in die Sonnenstudios", sagt Norbert Schmid-Keiner, Präsident des Bundesfachverbands Besonnung. "Wir haben wieder Hochkonjunktur", sagt Claudia Agolli, Leiterin eines Sonnenstudios in Essen. Seit 18 Jahren arbeitet die 44-Jährige in Sonnenstudios - so einen Ansturm wie in diesem Sommer hat sie selten erlebt.
Dasselbe Phänomen erleben auch die Betreiber von Bowlingbahnen: Ein Fünftel mehr Besucher im Vergleich zu sonnigen Sommermonaten lassen derzeit im Bowlingcenter "U.S.Play" in Hamburg die Kugeln rollen. "In diesem Sommer sind es besonders viele Besucher", heißt es auch in Köln bei "City Bowling". Überhaupt Sport in überdachten und beheizten Räumen entwickelt sich zum neuen Trend. Statt tropfnass die Joggingrunde zu beenden, geht man lieber aufs Laufband – und auch die Saunaöfen bollern zwischen Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. "Normalerweise sind im Sommer nur die Dachterrassen der Wellnessbereiche gut besucht. In diesem Jahr sind die kompletten Wellnessbereich gut gefüllt und viele Tagesgäste kommen extra dafür", so eine Sprecherin der Meridian Spas in Hamburg.
Die Aussichten - unschön
Meteorologen verbreiten wenig Hoffnung. „Der Sommer 2011 ist weitgehend gelaufen. Bis Ende August bleibt uns das Zick-Zack-Wetter treu. Ein stabiles Schönwetterhoch ist bis Monatsende nicht in Sicht", erklärt Diplom-Meteorologe Dominik Jung vom Wetterdienst wetter.net. Jung vertröstet auf den Herbst: Wetterberuhigung im September, ein goldener Oktober.
So lange können sonnenabhängige Geschäftsleute nicht warten. Sie werden erfinderisch: In den Niederlanden sorgt ein Campingplatz mit einer Geld-zurück-Garantie für versöhnliche Stimmung unter den Gästen. "Wenn es während eines mindestens fünf Tage langen Aufenthalts im Droompark Hooge Verluwe im Osten des Landes durchschnittlich unter 20 Grad warm war, müssen die Besucher nichts zahlen", sagte Campingplatz-Leiterin Sylvia Jansen.
Also: Das Beste aus der misslichen Lage machen. Als Ausrede für schlechte Laune gilt das Wetter ohnehin nicht. "Es gibt den kurzfristigen Effekt, dass man sich über das Wetter ärgert", so die Psychologin Margarita Engberding aus Münster. "Aber letztendlich ist das Wetter nur eine Art Sündenbock. Ich schreibe dann meine Antriebslosigkeit dem schlechten Wetter zu."