BERICHT FÜR DAS WEIßE HAUS Kampf gegen den Klimawandel: Forscher schlagen US-Regierung vor, Sonne abzudunkeln

Geo-Engineering: Eine Frau schaut mit Sonnenbrille in den Himmel
Die Sonne abdunkeln, um den Klimawandel zu stoppen? Forscher haben im Auftrag der US-Regierung verschiedene Geo-Engineering-Szenarien zusammengetragen (Symbolbild).
© Bernd Weißbrod / DPA
Ein US-Forschungsbericht sorgt für Aufsehen. Darin schlagen Forscher der US-Regierung Geo-Engineering-Programme vor, die die Sonne abdunkeln und so die Erderwärmung verringern sollen.

Es klingt wie eine Mischung aus Science-Fiction-Fantasie und Kinderlogik: Wenn die Sonne zu sehr blendet, muss man eben Schatten erzeugen. Die Idee klingt so logisch wie unmöglich, doch die US-Regierung setzt sich mit dem Gedanken offenbar seriös auseinander. Das Weiße Haus hat kürzlich einen Forschungsbericht veröffentlicht, der sich auf die Veränderung der Sonneneinstrahlung bezieht – auch Geo-Engineering genannt. 

Forschungsbericht: US-Forscher erwägen Sonne abzudunkeln, um Erderwärmung zu drosseln

Der 44-seitige Bericht untersucht das sogenannte "Solar Radiation Management" (SRM), zu deutsch: Modifikation der Sonneneinstrahlung. Die Forscher erörtern darin verschiedene Möglichkeiten des Sonnenschutzes, der das Erdklima abkühlen soll. Diese Ansätze bewegen sich zwischen "klingt logisch" und "Science Fiction": Die am wohl ehesten umsetzbare Möglichkeit sieht das Forscherteam darin, ein große Menge Aerosole, also Partikel aus Schwefeloxid, in die Stratosphäre zu injizieren und so die Sonnenstrahlen zu reflektieren. 

Eine zweite mehr oder weniger realistische Möglichkeit wäre es, das Geo-Engineering direkt an die gegebenen Wetterbedingungen zu koppeln. Genauer gesagt: Man könnte Meereswolken durch die Injektion von Meersalz aufhellen und somit ihre Reflexionsfähigkeit verstärken. Dadurch wäre es theoretisch möglich, die Meereserwärmung zu bremsen. 

Doch neben diesen halbwegs nachvollziehbaren Ideen beschäftigten sich die Wissenschaftler auch mit Ansätzen, die mehr nach "Star Wars" klingen als nach seriöser Wissenschaft. Zum Beispiel könne man riesige Solarschilde in den Weltraum zwischen Sonne und Erde schießen und das Sonnenlicht so davon abhalten, auf die Erdoberfläche zu gelangen. Ein weiterer eher abwegiger Ansatz wäre es, die Erdoberfläche im Allgemeinen aufzuhellen. 

Um dies zu erreichen, könne man Waldflächen in schneebedeckten Gebieten roden, Wüsten- und Eisgebiete in Gänze mit hellen Materialien abdecken oder Berge und Dächer von Häusern weiß streichen. Zudem setzt sich ein Ansatz damit auseinander, sogenannte "Zirruswolken" zu verringern. Die Idee dabei: Durch das Auflösen dieser reinen Eiswolken, die in großer Höhe vorkommen, könnte Wärme in den Weltraum entweichen. 

Wissenschaftler kritisieren Geo-Engineering-Ansätze scharf

Doch wie realistisch sind diese Ansätze überhaupt? Viele Wissenschaftler kritisieren Geo-Engineering-Ansätze seit Jahren. Zu unvorhersehbar seien die Folgen, wenn der Mensch in die Vorgänge der Natur eingreift. Der Klimaforscher Mojib Latif vom Hemholtz-Institut für Ozeanforschung in Kiel erklärte gegenüber "Bild", er würde die vorgestellten Theorien für einen "Einstieg in eine Katastrophe" bezeichnen. Das Erdsystem sei zu komplex, um damit herumzuexperimentieren. 

Es gebe eine Reihe von Nebenwirkungen, die man nicht einschätzen könne. Zum Beispiel könne die Ozon-Schicht geschädigt werden. Zudem könne man ein solches Projekt nicht so einfach wieder beenden, so Latif. "Man müsste es über Jahrhunderte weiterbetreiben, um eine spontane Wiedererwärmung der Erde zu vermeiden, weil das CO2 so lange in der Atmosphäre verbleibt." 

Latif betonte zudem, dass das Ganze auch eine politische Dimension habe: "Es geht um eine längere Nutzung der fossilen Brennstoffe. Deswegen wird es von bestimmten Kreisen anvisiert." Wissenschaftler weisen zudem immer wieder darauf hin, dass Geo-Engineering auch als Waffe eingesetzt werden könnte. So auch Latif: "Das Land, das diese Technologie in den Händen hält, kann sie möglicherweise als Waffe einsetzen. Es könnte zum Beispiel andere Länder abdunkeln." 

US-Regierung betont, dass die Forschung keine Auswirkung auf die Politik haben wird

Ob und wann ein solches Projekt wirklich Realität wird, ist unklar. Das Weiße Haus betont, der Bericht sei "als Reaktion auf ein Mandat des Kongresses" veröffentlicht worden. Er identifiziere "kritische Wissenslücken" und zeige "potenzielle Forschungsbereiche auf, die das Verständnis der Risiken und des Nutzens der solaren Strahlungsmodifikation verbessern könnten." Einen direkten Einfluss auf die aktuelle Politik habe der Bericht aber nicht, so die Regierung ausdrücklich: "Wichtig ist, dass dieser Bericht keine Änderung der Politik oder der Aktivitäten der Biden-Harris-Regierung bedeutet, die sich weiterhin auf die Reduzierung von Emissionen, die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit, die Förderung von Umweltgerechtigkeit und die Erreichung echter Energiesicherheit konzentriert." 

Es gebe derzeit keine Pläne für ein umfassendes Forschungsprogramm, so das Weiße Haus. Sollte sich diese Einstellung ändern, würden die ersten Entwürfe aber schon in der Schublade liegen. 

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