VG-Wort Pixel

Wissenschaftlerin Lise Meitner war 49 Mal für den Nobelpreis nominiert – sie ging immer leer aus

Lise Meitner
Lise Meitner auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1953
© piemags / Imago Images
Lise Meitner war entscheidend an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt. Den Nobelpreis dafür erhielt aber allein ihr Kollege und Freund Otto Hahn. Meitner selbst wurde die Ehrung trotz 49(!) Nominierungen nie zuteil.

Lise Meitner lacht, als sie ihrem Kollegen Otto Hahn die Hand schüttelt und ihm gratuliert. Es ist das Jahr 1945, Hahn wurde gerade der Nobelpreis für Chemie verliehen. Doch wenn man ihre Vorgeschichte kennt, darf man davon ausgehen, dass es ein bittersüßes Lachen war. Hahn wurde für seinen Nachweis der Kernspaltung ausgezeichnet, dabei hatte Meitner ganz entscheidend an deren erster wissenschaftlichen Erklärung mitgewirkt.

Nicht wenige glauben, dass diesen Nobelpreis eigentlich (auch) Lise Meitner hätte bekommen müssen. Diesen – oder einen der nächsten Jahre. Tatsächlich wird die Österreicherin für die Auszeichnung nominiert, insgesamt ganze 49 Mal: 19 Mal für den Nobelpreis in Chemie, 30 Mal für den Nobelpreis in Physik. Doch jedes Mal geht sie leer aus, andere werden ihr vorgezogen. 

Lise Meitner: Als Frau in der Forschung eine Pionierin

Meitner, 1878 in Wien geboren, war als Frau in der Wissenschaft von Anfang an eine Pionierin. Erst als zweite Frau promoviert sie an der Universität Wien. Es folgen Stationen in Berlin beim Chemischen Institut und beim Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, wo sie teils unbezahlt tätig ist. Dort lernt sie auch Otto Hahn kennen, mit dem sie in den folgenden Jahrzehnten eine enge – und sehr erkenntnisreiche – Zusammenarbeit verbinden wird.

Meitners Begabung für Physik und Chemie ist unverkennbar, auch für Max Planck, dessen inoffizielle Assistentin sie am Chemischen Institut wird. Dennoch muss Meitner immer wieder erkennen, dass sie als Frau noch lange kein vollwertiges Mitglied in der Forschungsgemeinschaft ist. Das Institut darf sie jahrelang nur durch den Hintereingang betreten, weil in Preußen Frauen erst ab 1909 offiziell ein Studium erlaubt ist. Die Österreicherin steigt dennoch immer weiter auf, macht gemeinsam mit Hahn Entdeckungen und wird schließlich 1926 die erste Professorin für Physik in Deutschland.

Entdeckung der Kernspaltung

Wegen ihrer jüdischen Abstammung verliert Meitner nach der Machtergreifung der Nazis 1933 die Lehrerlaubnis wieder, 1938 – nach der Annektion Österreichs durch das Deutsche Reich – flieht sie im Alter von fast 60 Jahren nach Stockholm. Otto Hahn hilft ihr dabei, die illegale Ausreise zu organisieren. Am Nobel-Institut in der schwedischen Hauptstadt kann sie weiterforschen. Sie und Hahn bleiben weiter in engem Briefkontakt.

Auf diesem Weg berichtet ihr Hahn auch von einer Entdeckung, die er in seinen Versuchen gemacht hat: Bei Experimenten mit Uran beobachtet er ein Phänomen, das er nicht erklären kann, das "Zerplatzen" des Uran-Kerns. Nur Meitner erzählt er davon. "Eventuell könntest du etwas ausrechnen und publizieren", schreibt er ihr Ende 1938. Meitner macht sich mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch an die Arbeit. Gemeinsam rechnen sie hin und her und legen so den Grundstein für den Nachweis der Kernspaltung.

Magie? "Zauberstein" lässt Nägel aus Gallium schmelzen

49 Nominierungen für den Nobelpreis

Die Entdeckung schlägt in der Forschung hohe Wellen, die USA wollen Meitner für ihr "Manhattan-Projekt" zum Bau einer Atombombe gewinnen. Die Pazifistin lehnt ab, bleibt in Stockholm. Der Nobelpreis für ihr maßgebliches Mitwirken an diesem bahnbrechenden Fund bleibt ihr aber zeitlebens verwehrt. Hahn hingegen wird ausgezeichnet – Meitner scheitert wohl nicht zuletzt an dem schlichten Umstand, dass sie eine Frau ist. "Hahn hat sicher den Nobelpreis für Chemie voll verdient, da ist wirklich kein Zweifel. Aber ich glaube, dass Frisch und ich etwas nicht Unwesentliches zur Aufklärung des Uranspaltungsprozesses beigetragen haben", schreibt sie einer Freundin.

Dabei ist ihr der Respekt ihrer Kollegen sicher: Otto Hahn selbst schlägt seine enge Vertraute für den Nobelpreis vor, Max Planck nominiert sie sogar sieben Mal. Jedes Mal ohne Erfolg. Umso ironischer, dass Meitner später mit dem Otto-Hahn-Preis ausgezeichnet wird. Mit ihrem Forschungskollegen verbindet sie bis zu dessen Tod 1968 ein enges, freundschaftliches Verhältnis. Seine Bevorzugung beim Nobelpreis-Komitee trug sie ihm nie nach.

Quellen:  Deutsches Historisches Museum / Deutsches Patent- und Markenamt / "Standard"

Mehr zum Thema

Newsticker