Fettleibigkeit Gefährliches Übergewicht

Übergewicht und Fettleibigkeit sind laut WHO zur weltweiten Epidemie geworden. Vor allem Kinder sind gefährdet, 20 Prozent aller Kinder in der EU sind zu dick. Bayerische Kindergärten machen nun mobil gegen Kalorienbomben.

Auf den "magischen Tellern" in den "Tiger-Kids"- Kindergärten in Bayern liegen keine Süßigkeiten und Schokoriegel. Dafür gibt es Obst und Gemüse, so viel und so oft wie die Kleinen mögen. Dasselbe gilt für die Getränkebar, an der sie sich nach Lust und Laune bedienen können - mit Wasser, ungesüßtem Tee und verdünnten Fruchtsäften. Das in 75 Kindergärten praktizierte Pilotprojekt der Stiftung Kindergesundheit, das auf das frühe Einüben der richtigen Ernährungsgewohnheiten abzielt, soll zeigen, dass Übergewicht und Fettleibigkeit kein unausweichliches Schicksal sind - auch nicht in Zeiten von Pommes, Cola und Fast-Food.

Nicht nur ein Problem der Wohlstandsgesellschaften

Für vorbildliche Praktiken bei der Bekämpfung von Adipositas (Fettsucht) vergibt die Weltgesundheitsorganisation WHO bei einer an diesem Mittwoch in Istanbul beginnenden Regionalkonferenz Preise in mehreren Kategorien. Einen könnten die "Tiger-Kids"-Initiatoren aus München erhalten. Unter den etwa 200 Bewerbungen haben sie es unter die ersten 32 geschafft.

Übergewicht und lebensbedrohliche Fettleibigkeit sind nach Angaben der WHO zu einer weltweiten Epidemie geworden. In den meisten Ländern der Europäischen Region der WHO, die von Island und Portugal bis an die Pazifikküste Russlands reicht, sind zwischen 30 und 80 Prozent der Erwachsenen übergewichtig. Nur in wenigen Ländern erreiche der Verzehr von Obst und Gemüse das empfohlene Niveau, betont die WHO. Besonders bei Kindern und Jugendlichen sei der Trend alarmierend. Adipositas sei nicht länger nur ein Syndrom wohlhabender Gesellschaften, sie breite sich auch zunehmend in Entwicklungs- und Schwellenländern aus.

Bekanntschaft mit Pommes, Hamburgern und Cola machen viele Kinder, etwa in der Türkei, bereits im ersten Lebensjahr. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie bekommt ein Viertel der türkischen Kinder noch vor Erreichen des dritten Lebensjahres auch Fast-Food zu essen. In Istanbul, der größten Stadt des Landes, beträgt dieser Anteil sogar mehr als 40 Prozent. Schon in den ersten zwölf Lebensmonaten trinken demnach sechs Prozent der Kinder Cola. Empfehlung der WHO: Muttermilch bis zum sechsten Monat und das ausschließlich.

Die Folgeerkrankungen sind vielfältig

Derzeit sind nach Erkenntnissen der WHO ungefähr 20 Prozent der Kinder in Europa übergewichtig und von diesen wiederum ein Drittel fettleibig. Dies bedeutet ein stark erhöhtes Risiko, Diabetes zu entwickeln, an Bluthochdruck zu erkranken, an Schlafstörungen zu leiden sowie psychosoziale Probleme zu bekommen. Um dem gefährlichen Trend entgegenzuwirken, wollen die Gesundheitsminister und Experten auf der Tagung in Istanbul mit einer "Europäische Charta zur Bekämpfung der Adipositas" zum Gegenangriff übergehen. Langfristiges Ziel sei es, "Gesellschaften zu schaffen, in denen eine durch gesunde Ernährung und Bewegung geprägte Lebensweise die Norm ist", heißt es im Entwurf.

Da in Europa immer mehr Menschen in Städten leben, vorwiegend Auto fahren, Computer-Arbeitsplätze haben und mehr und mehr verarbeitete Nahrungsmittel und Getränke kaufen, zielen die Gegenstrategien auf eine Vielzahl von Umfeldern - von der Familie über Kindergärten und Schulen, Arbeitsplätze und Verkehrsmittel bis hin zu Städtebau und Freizeiteinrichtungen. Die Forderungen reichen von kostenlosem Obst in der Schule und am Arbeitsplatz, über erschwingliche Preise für gesündere Lebensmittel, weniger Werbung für energiereiche Nahrung und Getränke bis hin zur Förderung des Radfahrens und Gehens durch bessere Städteplanung und Verkehrspolitik. Sichtbare Fortschritte, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, müssten in den meisten Ländern innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre erreichbar sein, lautet der optimistische Ausblick, "eine Trendumkehr bis spätestens 2015".

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Ingo Bierschwale/DPA

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