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Forschungsprojekt in den USA Porträt-Fotos von 1900 bis in unsere Zeit - heute darf man lächeln

"Bitte recht freundlich", dieser Grundsatz galt beim Fotografieren nicht immer. Eine Datenauswertung zeigt, wie sich das typische Porträtgesicht seit 1905 über die Jahrzehnte verändert hat.

Wer heutzutage ein langgezogenes "Cheeeese" von seinem Gegenüber hört, weiß was er zu tun hat: Lächeln, denn er wird gleich fotografiert. Dass Porträtierte dem Fotografen ein freundliches Gesicht zeigen, war aber nicht immer selbstverständlich. Vor allem im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts saßen die Modelle eher mit ernstem Gesichtsausdruck vor der Linse, wie eine aktuelle Forschungsarbeit aus den USA zeigt. 

Algorithmus untersucht 38.000 Bilder

Für das Projekt analysierten die Forscher der amerikanischen Elite-Hochschulen Berkeley und Brown einen Datensatz mit fast 150.000 Porträtfotos, die seit 1905 aufgenommen wurden. Diese stammen aus den in den USA üblichen Jahrbüchern der Highschools und wurden von den öffentlichen Bibliotheken vor Ort digitalisiert und zugänglich gemacht. Nachdem alle Bilder, die nicht frontal aufgenommen wurden, herausgefiltert wurden, blieben noch knapp 38.000 Fotos über, die per Computer-Algorithmus analysiert und visualisiert wurden. 

Als Ergebnis spuckte der Rechner am Ende für jedes Jahrzehnt jeweils ein Durchschnittsporträt für Frauen und Männer heraus, das aus den Mittelwerten der erfassten Fotografien erstellt wurde. An diesen Bildern lässt sich wiederum sehr gut die Evolution des typischen Porträtgesichts, zumindest dem von jungen US-Amerikanern, ablesen.

Lächeln? Erst seit 1940 

Erst in den 1940ern gingen die Mundwinkel der Porträtierten Jahrzehnt für Jahrzehnt weiter nach oben, die Zähne wurden noch später entblößt. Die Frauen öffneten Ihre Münder ab den 1970ern, die Männer ab der Jahrtausendwende.

Die Autoren der Studie vermuten dafür mehrere Gründe: Schönheitsideale der jeweiligen Zeit, Technische Limitierungen bei der Belichtung und auch der Umstand, dass ein Foto aufzunehmen nicht immer - so wie heute im "Selfie-Zeitalter" der Fall -  etwas Alltägliches bedeutete. Bevor die Fotografie durch erschwingliche Kameras und Filme in die Haushalte der Menschen einzog, sei ein Porträtfoto eher wie ein gemaltes Gemälde betrachtet worden. 

Mit ihrem Projekt wollen die fünf Autoren nach eigener Aussage ein Stück Kulturgeschichte dokumentieren, das nicht in Wort und Schrift archiviert ist, da Fotografie laut der Autoren auch Details der Welt einfange, die zu abstrakt oder auch zu banal sind, um sie niederzuschreiben - ein Schatz der von Historikern bislang nicht gehoben worden sei.

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