Der "Körperwelten"-Initiator stellte sich im rheinmaintv erstmalig den in der aktuellen Ausgabe des "Spiegel" (Nr. 4 vom 19.1.04)) erhobenen schweren Vorwürfe, er würde die Leichen chinesischer Hinrichtungsopfer für seine "Körperwelten"-Ausstellung verwenden.
Er sei Vorwürfe gewöhnt, bekundete von Hagens zu Beginn des Interviews. "Es gab verschiedene Skandale, ich soll für die Ausstellung Leichen aus der Sowjetunion verarbeitet haben. Dann war es Kirgisien. Diese Vorwürfe haben sich inzwischen in Luft aufgelöst." Dennoch nehme er die Vorwürfe des "Spiegel" sehr ernst. Er habe sich den Artikel erst wenige Stunden zuvor "zu Gemüte geführt" und deswegen für diesen Donnerstag in Frankfurt eine Pressekonferenz einberufen.
Der "Spiegel"-Artikel sei in seinen Vorwürfen "substanziell so schwerwiegend", dass er sich "sehr genau überlegen sollte", wie er darauf antworte. Vor allem, dass er kompetent darauf antworten könne. Die Vorwürfe beträfen China und das sei nun mal 6000 km entfernt. "Ich muss dort nachfragen. Ich arbeite dort nicht allein." Interessant jedoch sei für ihn, was nicht im "Spiegel" stehe. Dies sei für ihn "sehr erhellend", vor allem dass ihm nicht mehr vorgeworfen werde, Leichen aus Straflagern der ehemaligen Sowjetunion oder Kirgisien für seine Ausstellung verwendet zu haben. "Es wird mir auch nicht mehr vorgeworfen oder behauptet, es würden in der Ausstellung ehemalige Leichen von Chinesen, geschweige denn von Hingerichteten stehen."
von Hagens: Spiegel-Vorwürfe nicht "aus der Luft gegriffen"
Dennoch, so Moderator Philipp, habe er in einem Interview zugegeben, Menschenpräparate gesehen zu haben, die Einschusslöcher vorwiesen und habe daraufhin Mitarbeiter entlassen. Dies bedeute, die "Spiegel"-Vorwürfe seien nicht völlig von der Hand zu weisen.
"Nichts ist aus der Luft gegriffen. Ein solches Unternehmen zu führen ist sehr komplex, und ich bin dort auch mit chinesischen Mitarbeitern in der Pflicht, die z. B. von der Universität mit mir zusammen arbeiten. Und wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht." Von Hagens werde solche auf jeden Fall eingestehen, wenn sie tatsächlich geschehen sein sollten.
Konfrontiert mit dem Verhalten seines ehemaligen General Managers in Dalian, Dr. Sui Hongjin, bleibt von Hagens gelassen. "Ich bin der Letzte, der ehemaligen Mitarbeitern Böses unterstellt. Ich halte mich an die Fakten. Wenn etwas schief geht, bin erst einmal ich dran schuld. Und dann vielleicht die Umstände. Und wenn es gar nicht mehr anders geht, dann fragt man bei den anderen an, was sie denn dazu zu sagen haben. Ich bin keiner, der Schuld auf andere schiebt."
Von Hagens unter Beschuss
Von Hagens war nach den Spiegel-Vorwürfen immer mehr unter Beschuss geraten. Der Präsident der hessischen Landesärztekammer, Alfred Möhrle, forderte eine Schließung der derzeit in Frankfurt am Main gezeigten Ausstellung, falls sich die neuerlichen Vorwürfe gegen Hagens bestätigten. Der Berliner Kultursenator Thomas Flierl sprach sich gegen eine Dauerausstellung der "Körperwelten" in Berlin aus
Auch die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) distanzierte sich von dem umstrittenen Anatom. Von Hagens verstoße gegen medizinethische Regeln, erklärte DGP-Sprecher Manfred Stolte am Dienstag in Bayreuth. Er betonte, dass Obduktionen für Forschung, Rechtsmedizin und zur Ausbildung von Ärzten unverzichtbar seien. Anatomische Sammlungen seien "zur würdevolleren Aufklärung und eben nicht für kommerzielle, die Schaulust ansprechende Veranstaltungen da".