Der Schiffsverkehr hat nach Forscherauskunft bereits mehr als 500 Arten von Algen und Meerestieren aus Übersee an die Küsten Europas gebracht. Die meisten kamen in den vergangenen 200 Jahren. Umgekehrt wandern viele europäische Arten per Schiff in andere Erdregionen. "Der transozeanische Schiffsverkehr nahm zu und wurde schneller, so dass immer mehr Meeresorganismen als Blinde Passagiere von einer Küste zur anderen gelangten", sagte der Leiter der Sylter Wattenmeerstation des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Karsten Reise. Auf Sylt begann am Freitag eine Tagung des Europäischen Netzwerks MARBEF (Marine Biodiversity and Ecosystem Function).
Die Meeresbewohner wandern etwa als Bewuchs am Rumpf der Schiffe oder als Larven im Tank für Ballastwasser. Durch den weltweiten Handel mit Zuchtaustern wurden viele Algenarten verteilt. Probleme verursachen nach Reises Angaben auch eingeschleppte Fischparasiten. Er sieht in der Veränderung von Flora und Fauna und ein Zeichen der fortschreitenden Globalisierung.
Invasion an der Nordseeküste
Die spektakulärste Entwicklung der vergangenen Jahre sei die Invasion der pazifischen Austern an der Nordseeküste, sagte Reise. "Sie verdrängen heimische Miesmuscheln, bieten aber im Nahrungsnetz keinen Ersatz." Ihre Schalen seien zu kräftig für heimische Krebse und Vögel. "Die gehen leer aus bei diesem Wechsel in der Muschelszene.", so der Meeresforscher. In der Lagune von Venedig andererseits habe sich die asiatische Teppichmuscheln so massenhaft vermehrt, dass durch ihre Kiemenfilter das Lagunenwasser wieder klarer wurde.
Europa sei aber nicht nur Schmelztiegel, sondern habe seine Arten auch verteilt. Die europäische Strandkrabbe finde sich heute nicht nur an den Küsten Amerikas, sondern auch Südafrikas, Australiens und Japans. Dabei habe sie Parasiten zurückgelassen und neue Gewohnheiten entwickelt. In der Bucht von San Francisco wird sie doppelt so groß wie bei Helgoland und ernährt sich von ebenfalls eingeschleppten Muscheln aus Korea.