Polonium, im Periodensystem mit der Ordnungszahl 84 versehen, wirkt tödlich. Die radioaktive Substanz zerstört die DNA der menschlichen Zellen. Weil es aber im Unterschied zu anderen strahlenden Stoffen die Haut nicht durchdringt, kann es einfach und gefahrlos transportiert werden - auch über nationale Grenzen hinweg.
Mit dem Polonium-Isotop 210 wurde der russische Exspion Alexander Litvinenko wahrscheinlich am 1. November vergiftet. Um den Tod eines Menschen herbeizuführen, reicht eine Menge von weniger als einem Gramm des silberfarbenen Pulvers. Radioaktive Elemente wie Polonium haben die Fähigkeit, Moleküle lebender Zellen zu zerstören und ihre DNA zu verändern. Es ist damit millionenfach tödlicher als Zyankali, ein Gegenmittel gibt es nicht.
Strahlung kann nicht so leicht gemessen werden
So wenig wie die Alphastrahlung von Polonium - bestehend aus zwei Protonen und zwei Neutronen - die Haut durchdringen kann, so wenig kann sie von Messgeräten für radioaktive Strahlung erfasst werden. Daher war es offenbar ein Kinderspiel, das Gift nach Großbritannien zu schmuggeln. Litvinenko kam ins Krankenhaus, als sein Haar ausfiel, sein Hals anschwoll und sein Immunsystem zusammenbrach. Am Tag seines Todes, am 23. November, wurde auch Leukämie bei ihm festgestellt.
Die ersten Symptome sind die gleichen wie bei anderen Formen von radioaktiver Verstrahlung, die auch Übelkeit und Erbrechen verursachen kann. Polonium kann auch auf Oberflächen zurückbleiben und dort mit seiner tödlichen Gefahr lauern. Offenbar hat Litvinenko in der Klinik Spuren von Polonium ausgeatmet. Sie wurden auf Gegenständen gefunden, die er vor seinem Tod berührt hat. Diese Spuren seien ungefährlich, sagt der Strahlenschutzexperte der Royal-Victoria-Klinik in London, Mike Keir. "Aber wenn man anfängt, danach zu suchen, wird man es wahrscheinlich finden."
Polonium an mehr als zwei Dutzend Stellen entdeckt
Bislang wurden radioaktive Substanzen an mehr als zwei Dutzend Stellen in London und Umgebung gefunden. Dazu gehören Litvinenkos Haus, ein von ihm besuchtes Restaurant und mindestens zwei Flugzeuge der British Airways, die zwischen Moskau und anderen europäischen Städten verkehrten. Aber der britische Innenminister John Reid hat bislang nicht erklärt, ob es sich dabei um Polonium-210 handelte.
Polonium wurde 1898 von Marie Curie entdeckt und nach ihrem Heimatland Polen benannt. Polonium-210 findet sich wie alle radioaktiven Stoffe auch ganz natürlich in der Umwelt - in der Luft, im Wasser, in Nahrungsmitteln, im Boden und in allen lebenden Organismen. Seine Halbwertzeit - also die Zeit, in der sich die Menge des radioaktiven Stoffes halbiert - beträgt 138 Tage. Aber Polonium wird auch künstlich erzeugt in Kernreaktoren. Genutzt wird es vor allem für Geräte zum Abbau von statischer Elektrizität. Russland hat Polonium auch in seinem Raumfahrtprogramm eingesetzt. "Das Gift wurde wahrscheinlich in einer sehr speziellen Einrichtung hergestellt", sagt der Radioologe am Londoner Kings College, Derek Hill. "Das ist nicht die Sorte von Substanzen, die man in der eigenen Garage herstellen kann."
Russland verkauft kein Polonium an jedermann
In Russland kann die Substanz nach Angaben der dortigen Atomenergie-Behörde nicht illegal beschafft werden. "Hier sind alle Atom- und Forschungsreaktoren Staatseigentum und stehen unter strenger Kontrolle der Regierung", sagte Behördenchef Sergei Kirijenko. Im Land würden pro Monat nur acht Gramm der Substanz hergestellt, die über die einzig autorisierte Handelsfirma Tekhsnabexport in die USA ausgeführt würden. Zur Herstellung der Substanz seien bestimmte Reaktoren russischer oder kanadischer Bauart erforderlich.
Allem Anschein nach ist es aber möglich, Polonium per Internet aus den USA zu beziehen - solange die Lizenz der "U.S. Nuclear Regulatory Commission" vorliegt. Die Käufer brauchen keine besondere Erlaubnis der Regierung. Verschickt wird der Stoff in einem kleinen, scheibenförmigen Container – mit einem gelben Radioaktiv-Warnschild versehen sind. Ein in den Vereinigten Staaten bekannter und selbsternannter UFO-Experte bietet den tödlichen Stoff zum Verkauf an.