Das gefährliche Vogelgrippe-Virus H5N1 hat Niedersachsen erreicht und damit das Bundesland mit den größten Geflügelbeständen in Deutschland. Die Tierseuche wurde bei einer toten Wildgans nachgewiesen, die vor einer Woche auf einem Acker in Walsrode in der Lüneburger Heide gefunden wurde. Die Gefahr, dass das Virus in die Ställe des Mastgeflügels eingeschleppt wird, hat sich nach Ansicht von Niedersachsens Agrarminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) aber nicht verändert. "Das ist genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie vorher", sagte er der Nachrichtenagentur DPA am Sonntag. Es müsse täglich damit gerechnet werden.
Mit Niedersachsen ist H5N1 jetzt in sechs Bundesländern entdeckt worden, die Gesamtzahl der nachgewiesenen Infektionen bei Tieren stieg bis Sonntagmittag auf 158: In Mecklenburg-Vorpommern kletterte die Zahl auf 135, in Schleswig-Holstein auf 5, in Bayern auf 6, in Baden-Württemberg blieb es bei 5 und in Brandenburg bei 6 Fällen. Die vergangene Woche auf Rügen gefundene Katze war das einzige an Vogelgrippe gestorbene Säugetier in Deutschland. Nach Ansicht des bayerischen Umweltministeriums ist das Ausmaß der Tierseuche im Süden wegen der vielerorts hohen Schneedecke noch nicht absehbar. "Viele verendete Tiere werden wir erst finden, wenn der Schnee geschmolzen ist", sagte ein Sprecher. Eine tote Wildente fand sich sogar im Innenhof des Gefängnisses in Straubing.
Großteil des Geflügels lebt in Niedersachsen
Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Hausgeflügel als in Niedersachsen: In den rund 22.000 Beständen leben 72 Millionen Hühner, Enten, Gänse und Puten. Das sind 60 Prozent des deutschen Geflügelbestands. Um eine Übertragung der Vogelgrippe auf Stall- und Haustiere zu verhindern, gelten in den betroffenen Gebieten verschärfte Maßnahmen. Hunde und Katzen dürfen nicht frei herumlaufen und Betriebsfremde keine Geflügelhöfe betreten. Dabei gehen die Sperr- (drei Kilometer) und Beobachtungszonen (zehn Kilometer) teilweise über Landesgrenzen hinaus.
Auch die Bodensee-Anrainer Deutschland, Österreich und die Schweiz bekämpfen im Wesentlichen mit den gleichen Maßnahmen die Tierseuche, wie es im Stuttgarter Agrarministerium hieß. Jedoch lehnten die Schweiz und Österreich den Hausarrest für Katzen ab. Am Bodensee wurden bis Sonntag 18 Vogelgrippefälle registriert: auf deutscher Seite 6, am Schweizer Ufer 7 und am österreichischen Ufer 5.
Schärfere Beobachtung in Mannheim
Nach dem Vogelgrippe-Fall in Mannheim sollen in Baden-Württemberg jetzt alle Ufer-Bereiche stärker beobachtet werden. Mit Mannheim hatte es die erste Großstadt in Deutschland getroffen. In dem Sperrgebiet, zu dem auch Teile Ludwigshafens in Rheinland-Pfalz gehören, leben gut 100.000 Menschen. Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften für die Tiere. Menschen können sich ungehindert bewegen.
Sollte ein Verdacht auf Vogelgrippe beim Menschen auftauchen, wird es laut Bundesgesundheitsministerium keine Verzögerungen bei der Behandlung geben. "Es wird auch in diesem Fall, der hoffentlich nie eintreten wird, das ohne Verzug bezahlt, was medizinisch notwendig ist, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater zu einem Bericht der "Bild am Sonntag". Laut Zeitung müssen Ärzte erst bei der Krankenkasse schriftlich eine Kostenübernahme-Erklärung einholen, bevor sie Patienten auf eine mögliche Ansteckung untersuchen dürfen. "Die Regelung haben die Spitzenverbände der Krankenkassen durchgesetzt", sagte KBV-Sprecher Roland Stahl der Zeitung. Vater sagte, die Kassen hätten nur in Einzelfragen noch Aufklärungsbedarf.
Vogelgrippe erreicht Polen
Seinen ersten Fall von Vogelgrippe - einen toten Schwan nahe Torun - meldete Polen an die Europäische Union. Im EU-Referenzlabor im britischen Weybridge solle festgestellt werden, ob es sich bei dem Virus um den Typ H5N1 handelt, teilte die EU-Kommission am Sonntag in Brüssel mit. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre Polen das neunte EU-Land, in dem die Tierkrankheit festgestellt wurde.
In Asien sind vermutlich erneut zwei Menschen an Vogelgrippe gestorben: In China ein 32-Jähriger aus Hongkong und in Indonesien ein dreijähriger Junge. Die indonesische Regierung hat eine Massenimpfung von Geflügel in allen von der Seuche betroffenen Provinzen angeordnet. Das Virus ist bereits in 27 der 33 Provinzen des mit 215 Millionen Einwohnern viertgrößten Landes der Welt aufgetreten. Bislang starben dort mindestens 20 Menschen an der Tierseuche. Weltweit gab es bisher mehr als 90 Todesopfer.