Man riecht die Katastrophe, bevor man sie sieht: Wo sonst der Duft von Pinien und Lavendel die Touristen empfängt, hängt jetzt der bissige Geruch von verkohltem Holz in der Luft. 8000 Hektar Wald sind zwischen Nizza und Marseille bereits in Flammen aufgegangen und haben große Teile der Provence in eine trostlose Landschaft verwandelt. Sieben Menschen starben im Feuer, Hunderte von Tieren verendeten, 70 Häuser wurden zerstört. "Es wird 20 Jahre dauern", sagt Francois Savatier, "bis sich die Wälder erholt haben."
Mehr als 3000 Feuerwehrleute im Einsatz
Savatier, Mitinhaber eines großen Weinguts, kniet am Boden und schaufelt mit bloßen Händen Erde über eine Baumwurzel, die in der Mittagshitze neu entflammt ist. "Komm schnell mit einer Schaufel", ruft er seinem Bruder über Handy zu. Rund um das Château de Rouet bei Fréjus ragen nur noch schwarze Gerippe in den blauen Himmel. Der Schlosspark, 1880 von Savatiers Großvater angelegt, ist zerstört. Uralte Korkeichen, Palmen, exotische Bäume - alle binnen drei Tagen vernichtet. An vielen Weinreben hängen nur noch braune Blätter und verschrumpelte Trauben. "Es war wie eine Wand aus Feuer, die auf uns zuraste", sagt Savatier.
Mehr als 3000 Feuerwehrleute aus ganz Frankreich und Italien waren in den ersten Tagen fast ausschließlich damit beschäftigt, Urlauber und Hausbesitzer zu evakuieren und Gebäude zu sichern. Riesige Feuerwalzen, angefacht durch starken Wind, konnten sich so ungehindert über die Hügel ausbreiten. Eine 63-jährige Engländerin und ihre 15-jährige Enkelin, die bei la Garde-Freinet in Panik vor den herannahenden Flammen aus dem Haus flüchteten, starben in dem Hitzesturm. Der Ehemann, der im Haus ausharrte, blieb unverletzt.
In ganz Südeuropa Brände
Auch im übrigen Südeuropa brachen Brände aus. Auf den Inseln vor der kroatischen Adriaküste gingen 2600 Hektar in Flammen auf. In der spanischen Provinz Estremadura fachte die Sommerhitze die ersten Feuer an. 2800 Feuerwehrleute und 400 Soldaten bekämpfen insgesamt 72 Brände in Portugal. Das Land hat den Ausnahmezustand erklärt und die EU um Hilfe gebeten. Neun Menschen kamen hier bis Montag um.
In der Provence hat sich die Lage nach einem Gewitter in der vergangenen Woche zumindest vorübergehend entspannt. Wie mit einem Lineal sind die Brandgrenzen hier um die Häuser gezogen: als hätten die Flammen vor den Gebäuden angehalten und erst dahinter weitergewütet - Ergebnis einer geänderten Taktik der Feuerwehren, die inzwischen den Schutz des Eigentums vor das Löschen der Brandherde gestellt haben. Die Natur regeneriert sich mit den Jahren, die Schäden an den Immobilien hingegen sind total. Vor dem Château des Winzers Savatier wartete eine Hundertschaft von Männern mit modernstem Löschgerät untätig einen halben Tag. Erst als die Feuerwalze nur noch 20 Meter vom Gebäude entfernt war, schoss die Feuerwehr die 6000 Liter Wasser eines Löschwagens binnen drei Minuten in die Flammen. Die Front war gestoppt. Rechts und links vom Château dagegen nahm die Verwüstung ungehindert ihren Verlauf.
Oft menschliche Brandursache
Kein Flächenbrand in Südfrankreich hat in den vergangenen 30 Jahren in so kurzer Zeit so viel Wald vernichtet wie der in diesem Sommer. Weil die Einsatzkräfte alle Hände voll zu tun haben, die wachsende Zahl an Gebäuden zu sichern, bleiben die Flächenbrände weitgehend Aufgabe der Hubschrauber und Löschflugzeuge. Ferienhausbesitzer sind die Gewinner, Landbesitzer und Bauern die Verlierer dieser neuen Feuerwehrtaktik. "Ich habe sie angefleht, auch die Bäume zu schützen", sagt Francois Savatier, "doch die Männer haben nur mit den Schultern gezuckt."
Die lange Trockenperiode, die Hitze dieses Sommers, aber auch der Massentourismus haben die Waldbrandgefahr dramatisch erhöht. Oft genügt eine weggeworfene Zigarettenkippe oder die Reste eines Grillfeuers. In Südfrankreich und Portugal sollen zudem Pyromanen einzelne Brände gelegt haben.
Solche Fälle lenken meist nur von der Nachlässigkeit ab, mit der viele Urlaubsregionen der Feuergefahr begegnen. So verfügt nicht einmal die Hälfte aller Gemeinden im südfranzösischen Department Var über einen Vorsorgeplan. Die Einteilung ihrer Siedlungsflächen in Risikozonen ist den meisten Gemeinden nicht nur zu teuer - sie fürchten auch, dann neues Bauland nicht mehr so großzügig wie bisher ausweisen zu können. Daniel Ory,Chef des rund 200.000 Mann starken französischen Feuerwehrverbandes FNSP, wirft der Regierung bereits vor, nichts gegen den Bauboom in brandgefährdeten Gebieten zu unternehmen.
An das Inferno dieses Sommers wird sich Weingutbesitzer Franois Savatier nicht nur wegen seiner zerstörten Reben noch lange erinnern. Auch eine Familie, die gerade auf dem Château ihre Ferien verbrachte, hat ihn fassungslos zurückgelassen. Bei ihrer Abreise verlangte sie einen Preisnachlass. Auf dem Tennisplatz habe Asche gelegen.