In Ommeren dürfte es normalerweise recht ruhig zugehen, leben in dem beschaulichen Dorf in der Provinz Gelderland doch nur etwa 250 Menschen. Es liegt westlich von Arnheim – um die 40 Kilometer entfernt. Wo Besucher:innen sonst ländliche Idylle suchen, ziehen derweil Hobby-Schatzsuchende mit Metalldetektoren und Schaufeln los, in der Hoffnung, einen alten Nazi-Schatz zu finden, der in den Feldern um Ommeren vergraben sein soll.
Ausgelöst wurde die große Jagd nach dem Nazi-Schatz durch eine Karte mit drei kleinen roten Kreuzen, die das Versteck eines Schatzes im Wert von mehreren Millionen Euro zeigen soll. Vier deutsche Soldaten sollen Münzen, Uhren, Schmuck, Diamanten und andere Edelsteine in vier Munitionskisten versteckt und vergraben haben. Das niederländische Nationalarchiv hatte am dritten Januar mehr als 1300 historische Dokumente, darunter auch die Schatzkarte, anlässlich ihres jährlichen "Tag des öffentlichen Zugangs" freigegeben. Bisher konnte die Karte nur unter Auflagen eingesehen werden.
Nazi-Schatz: Deutscher Soldat händigte niederländischen Behörden die Karte aus
"Die Veröffentlichung hat Hobby-Archäolog:innen, Forschende und Journalist:innen in Aufregung versetzet", sagt Annet Waalkens vom niederländischen Nationalarchiv gegenüber dem britischen "Observer". Doch ob die Hobby-Schatzsucher:innen fündig werden, ist mehr als fraglich. Der niederländische Staat ist bereits mehrfach an der Bergung der Juwelen und des Schmucks gescheitert, wie die kürzlich veröffentlichte Akte des Nationalarchivs zeigt.
Die Karte und das Wissen um den Schatz hätten leicht für immer verschwinden können, zwei der Soldaten hatten den Krieg nicht überlebt und ein Soldat ist verschwunden. Allein der deutsche Soldat Helmut S. blieb auf dem Radar. Niederländische Behörden wurden auf ihn aufmerksam. Sie übermittelten die Informationen über ihn an das Beheersinstituut. Das niederländische Institut für Vermögens- und Eigentumsverwaltung ist für die Verwaltung des Vermögens von Personen zuständig, die im Zweiten Weltkrieg verschwunden waren.

Juwelen, Münzen und Edelsteine stammen wahrscheinlich aus einem Raub im Jahr 1944
Der Schatz wurde nach Angaben des deutschen Soldaten bei der Bombardierung einer Bankfiliale in Arnheim im August 1944 entdeckt. Durch die Bomben soll ein Tresor zertrümmert worden sein und die Münzen, Juwelen und Diamanten auf der Straße verstreut worden sein. Seine Kameraden haben eingesteckt, was sie finden konnten und es später in den Munitionskisten versteckt. Helmut S. selbst soll nicht an den Plünderungen beteiligt gewesen sein, aber er war dabei, als der Schatz vergraben wurde.
Joost Rosendaal ist Assistenzprofessor für Geschichte an der Radboud-Universität in Nimwegen und erklärte dem "Observer", dass Plünderungen auf beiden Seiten damals üblich gewesen seien. Allerdings hegt der Forscher Zweifel an der Erzählung des deutschen Soldaten – seine Kameraden hätten die Beute nicht nach einem Bombenhagel auf der Straße finden können. Im August 1944 wurde die Stadt Arnheim nicht bombardiert. Wahrscheinlicher sei, dass die anderen Soldaten die Juwelen, Münzen und Edelsteine im November 1944 stahlen. Deutsche Truppen sollen die Bank überfallen haben und um ihr Verbrechen zu verbergen, die Bankfiliale in Brand gesetzt haben.
Ausgrabungsversuche scheiterten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg
Nur 70 bis 80 Zentimeter tief unter der Erde soll der Schatz in den Wurzeln einer Pappel in den Feldern bei Ommeren vergraben worden sein. Obwohl niemand sicher weiß, ob der Schatz wirklich existiert, gab es 1947 drei Versuche durch das Beheersinstituut den Schatz zu bergen, wie Anne-Marieke Samson vom niederländischen Nationalarchiv gegenüber "Reuters" schilderte. Der erste Versuch war durch den gefrorenen Boden zum Scheitern verurteilt. Auch der zweite Versuch, bei dem Metalldetektoren eingesetzt wurden, brachte kein Ergebnis. Für die dritte Suche wurde der deutsche Soldat Helmut S. sogar zum vermeintlichen Versteck gebracht. Doch weder die Karte noch sein Augenzeugenwissen konnten dabei helfen, den Schatz zu finden.
Die Geschichte um den Nazi-Schatz regt auch heute noch die Fantasie an. Das Wissen um eine so detaillierte Karte sei fast unbekannt gewesen, schilderte Joost Rosendaal gegenüber dem niederländischen Nachrichtensender "Omroep Gelderland". Auch er selbst habe bisher nichts davon gewusst. Der Historiker muss der Hoffnung der Hobby-Schatzsuchenden allerdings einen Dämpfer verpassen: "Ommeren war ein Gebiet, in dem zu dieser Zeit noch gekämpft wurde. Möglicherweise wurde der Schatz vergraben und zwei Tage später abtransportiert. Ich fände es überhaupt nicht verrückt, wenn der Schatz verschwinden würde".
Die Horten Ho 229 - das geheimnisvollste Flugzeug der Nazis

Schatzsuchende müssen sich an Regeln halten
Die Gemeinde Buren, zu der Ommeren gehört, erhält seit der Veröffentlichung der Karte viele Anfragen rund um den Nazi-Schatz. Auf ihrer Webseite hat die Gemeinde Regeln veröffentlicht, an die sich Schatzsuchende halten müssen. Das vermeintliche Versteck liegt in einem Gebiet in der Nähe der Frontlinie des Zweiten Weltkriegs. "Die Suche dort ist wegen möglicher nicht explodierter Bomben, Landminen oder Granaten gefährlich. Wir raten daher von der Suche nach dem Nazi-Schatz ab", heißt es dort.
Einen Metalldetektor dürfen Schatzsucher:innen nur benutzen, wenn sie eine Ausnahmegenehmigung der Gemeindeverwaltung haben. Und sollte jemand die Juwelen, Münzen und Edelsteine wirklich finden, darf er oder sie diese nicht einfach behalten. Sie unterstehen einer Meldepflicht.