Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um eine Linie in der Energiepolitik ringt, lobt eine Untersuchung Windparks als neue Lebensräume für ganze Tiergemeinschaften. Die Fundamente werden von Muscheln besiedelt, Samtkrabbe und Taschenkrebs fühlen sich dort ebenfalls wohl. Das sind erste Ergebnisse ökologischer Untersuchungen in Deutschlands erstem Offshore-Windpark "Alpha Ventus" in der Nordsee, die Anika Beiersdorf vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie beim 22. Meeresumwelt-Symposium in Hamburg vorstellte. Demnach haben Taucher im Windpark ein 1000-fach erhöhtes Vorkommen des Taschenkrebses gefunden. "Alpha Ventus" mit 12 Windanlagen wurde 2009 errichtet und ging 2010 in Betrieb.
Umweltschützer sehen die Untersuchung jedoch kritisch. "Die Studie ist sehr einseitig", sagte Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Mehr Taschenkrebse seien nicht per se ein positives Signal, mahnte der Meeresbiologe. "Wir wissen nicht, ob dadurch andere Arten verdrängt werden." Der Nabu selbst unternehme allerdings keine eigenen Erhebungen an Hochsee-Windparks. Insgesamt sei es jedoch zu begrüßen, dass in den Gebieten der Parks Naturschutzgebiete eingerichtet würden. Sonst könnten dort Fischer den Tieren mit den besonders schädlichen Bodenschleppnetzen schaden.
Die Sorgen von Naturschützern, Offshore-Windparks könnten den Vogelzug behindern und zur Todesfalle werden, haben sich Beiersdorf zufolge bislang nicht bestätigt. Die Vögel scheinen demnach zu erkennen, ob sich die Windräder drehen oder nicht. Drehen sich die Rotoren, wichen die Vögel aus, sagte Beiersdorf. Eine Meidung des Windparks oder großräumige Ausweichmanöver beim Vogelzug haben die Wissenschaftler bislang nicht beobachtet. Totfunde von Vögeln auf den Anlagen seien selten.
Bauarbeiten vertreiben Schweinswale
Ähnliche Ergebnisse hatte auch ein Bericht des Umweltbundesamtes geliefert. Darin hatten Experten die dänischen Windparks "Horns Rev" und "Nysted" mit Radar und Infrarotkameras untersucht. "Die Untersuchungen zeigen, dass Vögel tags und nachts auf den Windpark reagieren und ihm ausweichen. Direkte Kollisionen wurden nicht beobachtet", heißt es in dem Bericht von 2008.
Für Schweinswale ist der Betrieb der Anlagen Beiersdorfs Forschungsergebnissen zufolge ebenfalls kein Problem. Die Betriebsgeräusche seien nur bis in eine Entfernung von maximal 100 Metern von den Meeressäugern zu hören. Problematisch sei jedoch das Einrammen der Fundamente in den Meeresgrund. Untersuchungen belegten, dass Schweinswale während der schallintensiven Bauarbeiten das Areal weiträumig bis auf 20 Kilometer Entfernung meiden.
Maßnahmen zur Schallreduzierung beim Rammen - dabei werden in der Regel "Vorhänge" aus Luftblasen unter Wasser erzeugt - sind kaum ausgereift, wie bei der Tagung deutlich wurde. Weitere Forschungen seien nötig, zumal die Pfähle immer größer und damit die Rammgeräusche immer lauter würden, sagte Michael Bellmann vom Institut für technische und angewandte Physik Oldenburg.
Kofferdamm-Methode soll Geräusche minimieren
Der dänische Unternehmer Kurt Thomsen aus Tranbjerg betonte hingegen, es gebe ausgereifte Verfahren. So wende sein auf Offshore-Anlagen spezialisiertes Unternehmen die sogenannte Kofferdamm-Methode an. Dabei werde der Pfahl in einem Stahlrohr mit größerem Durchmesser in den Meeresboden gerammt. Ein großer Teil des Schalls werde durch die Luft im Stahlrohr nach oben abgeleitet.
Bei dem zweitägigen Symposium diskutierten bis Mittwoch rund 400 Wissenschaftler und Behördenvertreter über aktuelle Probleme des Schutzes der Meere angesichts der zunehmenden Nutzung. Veranstalter des Meeeresumwelt-Symposiums 2012 ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.