Alexander Dobrindt kann auch anders. Freundlich im Umgang, ein schlauer Analytiker und gelegentlich von leisem Humor. Manche Journalisten, aber auch politische Gegner haben den CSU-Mann über die Jahre zu ihrer Überraschung als angenehmen Menschen erlebt.
Andrea Nahles und Dobrindt, beide zeitgleich Generalsekretäre ihrer Parteien, verstanden sich fast freundschaftlich gut. Und wenn es in der letzten schwarz-roten Regierung beim Geld schwierig wurde, war es geübte Praxis, dass sich im Koalitionsausschuss Finanzminister Olaf Scholz und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt zurückzogen, um eine Lösung auszuhandeln.
Dobrindt gehört aber auch zu jener Sorte Politiker, die wie mit einem Regler den Ton brutalstmöglich verschärfen können. Das hat der Christsoziale jetzt wieder mit seiner Forderung bewiesen, dass ukrainische Flüchtlinge, die nicht arbeiten, kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern in "sichere Gebiete der Westukraine" ausreisen sollen. Dobrindt ist es egal, wenn er mit solchen Vorstößen als grausam und unchristlich erscheint. Seine Zeit als CSU-Generalsekretär von 2009 bis 2013 hat ihn abgehärtet.
Welche Teile der Ukraine hält Alexander Dobrindt für sicher?
Es ist das Privileg eines Oppositionspolitikers, dass er seine politischen Vorstellungen nicht bis zum Ende durchdenken muss. Er kann einfach daherreden, zumal wenn die Höhepunkte seiner politischen Karriere hinter ihm liegen. Trotzdem würde man von Dobrindt natürlich gern wissen, wie er sein Anliegen denn forcieren würde, jedem Flüchtling Arbeit anzubieten – an dieser Stelle hat er ja durchaus einen Punkt, nur leider keine Lösung.
Man wüsste auch gern, welche Teile der Ukraine er für sicher hält und welche nicht: Wie viele Luftangriffe erachtet ein Abgeordneter aus dem idyllischen Oberbayern, wo's in der Regel nur beim Goaßlschnalzen knallt, denn als hinnehmbar? Und nicht zuletzt wäre interessant zu wissen, ob Dobrindt nicht arbeitende Ukrainer, viele von ihnen Frauen mit Kindern, ohne Bürgergeld einfach verhungern oder gleich nachts abholen und mit Bussen über die Grenze abschieben lassen will. Frei nach dem Motto: auf Nimmerwiedersehen bei Freunden? Da brauchte man aber sehr viele Fußballturniere, um diesen Imageschaden auszugleichen.
Dobrindts Vorstoß ist offenkundiger Unsinn. Aber er zeigt, wie auch Wortmeldungen aus der CDU, dass die Union die politische Konkurrenz von rechts wieder einmal dadurch bekämpfen will, dass sie sich ihren Wählern anheischig macht. Markus Söder hat das schon 2018 im Flüchtlingsstreit mit Angela Merkel versucht, konnte bei der Landtagswahl in Bayern mit Ach und Krach und Aiwanger sein Ministerpräsidentenamt retten und sprach hinterher selbst von einem strategischen Fehler.
Union könnte an Glaubwürdigkeit verlieren
Nun soll das Geschimpfe über Ukrainer, die bekanntlich "insbesondere wegen des Bürgergelds" in Deutschland sind, wie der CDU-Politiker Steffen Bilger meint, Wählern von AfD und Wagenknecht anscheinend signalisieren, dass man ihren Unmut ernst nimmt. Dobrindt und Konsorten übersehen aber, dass sich der Protest nicht gegen einzelne Konsequenzen der deutschen Unterstützung für die Ukraine richtet, sondern gegen diese Unterstützung insgesamt.
Die Union, vorneweg Friedrich Merz, verkündet stets und zu Recht, in der Ukraine würden Europa und seine Werte verteidigt. Eine Union, die gleichzeitig an den Ukrainern in Deutschland auslässt, dass ihr der Krieg und seine Kosten auf die Nerven gehen, tappt in eine Glaubwürdigkeitsfalle, die sehr schnell zuschnappen kann.
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