Eine Dokumentation über die dramatische Luftverschmutzung in China ist nach nur wenigen Tagen im Internet blockiert worden. Der Film "Unter der Glocke" der ehemaligen Fernsehmoderatorin Chai Jing war nach seiner Veröffentlichung vor einer Woche allein innerhalb eines Tages mehr als 155 Millionen Mal angeklickt worden - nun kann er über die großen chinesischen Video-Websites Youku und iQiyi nicht mehr abgerufen werden.
Ein Link auf der Youku-Website, der zuvor zu dem Film führte, erzeugte lediglich die Nachricht: "Es tut uns sehr leid, Youku konnte die gesuchte Seite nicht finden." Auf YouTube war die 103 Minuten lange Dokumentation weiter zu finden. Der Zugang zu der Videoplattform ist in China jedoch gesperrt.
Tochter kam mit Tumor zur Welt
In ihrem Film zeigt Chai die Ursachen der extremen Luftverschmutzung in China auf, darunter laxe Umweltschutzvorschriften und deren unzureichende Durchsetzung durch die Behörden. Für die frühere Journalistin beim Staatssender CCTV ist die Dokumentation, die bereits mit Al Gores Film "Eine unbequeme Wahrheit" über den Klimawandel verglichen wird, aber auch ein "persönlicher Kampf" gegen die Luftverschmutzung: Ihre Tochter kam mit einem gutartigen Tumor auf die Welt.
Hier können Sie die viel gepriesene Dokumentation sehen - mit englischen Untertiteln
Die Zensur der Dokumentation illustriert, wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf die öffentliche Debatte über das Smog-Problem reagiert. Gleichzeitig handelt es sich um eine abrupte Kehrtwende: Noch vor wenigen Tagen hatte Chinas neuer Umweltminister Chen Jining das Video gelobt und vor Reportern gesagt, der Film unterstütze "die Bemühungen des Einzelnen, die Luftqualität zu verbessern".
"Gebt uns einen Grund!"
Die Diskussion über den Film in Online-Foren ging auch nach der Sperrung weiter. Viele Nutzer kritisierten die Zensur der Dokumentation durch die Regierung. "Chai Jings Doku wurde in allen großen Video-Websites 'harmonisiert'", schrieb ein Nutzer. "Warum? Gebt uns einen Grund dafür!" Ein anderer Nutzer fragte: "Wann wird dieses Land bereit sein, sich mit dem Verhalten der eigenen Bevölkerung auseinanderzusetzen?"
Chinas Städte leiden unter extremer Smogbelastung. Verantwortlich sind Kohlekraftwerke und Industrieschornsteine sowie der Autoverkehr. In Peking tagt seit dieser Woche der Nationale Volkskongress - unter einer dichten Dunstwolke. Nach Angaben der US-Botschaft ist der Smog derzeit "sehr gesundheitsschädlich". Regierungschef Li Keqiang sagte der Umweltverschmutzung zum Auftakt der jährlichen Parlamentssitzung am Donnerstag erneut den Kampf an. Präsident Xi Jinping versprach, Umweltverschmutzer "mit harter Hand" und "ohne Ausnahmen" zu bestrafen.
Umweltminister Chen ging in einer Pressekonferenz am Samstag nicht auf den Dokumentarfilm und die Internetsperren ein. Zur Luftverschmutzung bezog er aber klar Position, indem er an den auffallend blauen Himmel beim Gipfeltreffen des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) in Peking im November erinnerte. Das durch Fabrikschließungen und Fahrverbote erreichte "Apec-Blau" habe gezeigt, "dass wir uns nicht nur auf den Himmel verlassen können, wenn wir unsere Luftqualität signifikant verbessern wollen", sagte Chen. "Wir müssen unser Emissionsniveau senken." Das erfordere aber "zusätzliche Anstrengungen von uns allen".