Angst vor Taliban-Rache "Wenn sie mich finden, werden sie mich töten": Früherer Helfer der Deutschen berichtet aus Versteck in Kabul

Ein ehemaliger Informant der Bundeswehr versteckt sich in Kabul und fürchtet die Rache der Taliban
Angst vor Taliban-Rache in Kabul
Sehen Sie im Video: "Wenn sie mich finden, werden sie mich töten" – früherer Helfer der Deutschen berichtet aus Versteck in Kabul.








Das Interview in Textform: 
Interviewer: Wo sind Sie und wie ist die Situation aktuell in Kabul?
Karim:  Wissen Sie, wir leben im siebten Distrikt in Kabul und Sie wissen um die Situation in der Stadt. Es sind jetzt zwei Tage vergangen, seit die Hauptstadt an die Taliban gefallen ist. Die Sicherheitssituation ist nicht gut.
Bitte beschreiben Sie einmal kurz, wie es Ihnen geht? Was befürchten Sie aktuell am meisten?
Weil ich von 2011 bis Ende des Jahres 2017 für das GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) gearbeitet habe, geht es mir jetzt schlecht. Seit zwei Tagen verstecke ich mich bei einem Freund. Ich kann nicht mehr rausgehen.
Was würde eigentlich passieren, wenn die Taliban Sie entdecken? Oder eines Tages bei Ihnen an die Tür klopfen?
Wegen meiner Arbeit für das deutsche GIZ ist die Situation gefährlich. Die Taliban haben mich schon einmal gejagt. Wenn sie mich jetzt finden, werden sie mich töten oder ins Gefängnis werfen.
Sie haben für die Deutschen gearbeitet. Was waren Ihre Aufgaben?
Ich habe von 2011 bis Ende 2017 für die Deutschen als Assistent vor Ort gearbeitet. Meine Aufgabe bestand darin, sicherheitsrelevante Informationen über die Umgebung zu besorgen. Diese habe ich an die Kollegen im GIZ-Büro weitergegeben. Nach dem Anschlagsversuch der Taliban auf mich hat mich das GIZ nicht mehr unterstützt und ohne Vertrauen zurückgelassen.
Was konkret fordern Sie vom deutschen Staat?
Ich verlange, dass die deutsche Regierung und die Verantwortlichen meines alten Arbeitgebers mich unterstützen – nach sieben Jahren in ihren Diensten. Ich habe deren Leben beschützt. Wenn sie mir nicht helfen und die Taliban mich finden, werden sie umbringen.
Haben Sie noch Hoffnung, das Land zeitnah zu verlassen?
Ich habe keine Möglichkeit, das Land zu verlassen. Wenn ich auf die Straße gehe und die Taliban mich finden, werden sie mich wegen meiner Vergangenheit nicht am Leben lassen. Ich kann nicht raus und habe keine Aussicht, Afghanistan zu verlassen.
Als die Taliban nach Kabul gekommen sind, was haben Sie davon mitbekommen? Was haben Sie beobachtet?
Als die Taliban nach Kabul vorgestoßen sind, habe ich sie nicht gesehen. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt schon versteckt. Aber von den Leuten, mit denen ich Kontakt habe, weiß ich, dass die Taliban Polizeibeamte – auch Polizistinnen – auf offener Straße getötet haben. Sie machen weiter mit den Tötungen Unschuldiger.
Sie haben viele Jahre für die Deutschen als Informant gearbeitet. Jetzt sitzen Sie in Kabul und haben Todesangst. Wie groß ist Ihre Enttäuschung, Ihre Wut?
Ich habe sieben Jahre ehrlich und voller Integrität für das GIZ-Büro gearbeitet. Sie sind verantwortlich für unser Überleben, aber haben uns im Stich gelassen. Jetzt fordere ich schnelle Hilfe von der Bundesregierung für mich und meine Familie. Wenn sie uns jetzt nicht helfen, wird uns Schlimmes passieren.
Was ist Ihre Hoffnung für Afghanistan, für dieses zerrüttete Land?
Mit der Taliban-Machtübernahme haben wir keine Hoffnung mehr für die Zukunft. Das sind immer noch die alten Taliban. Sie haben sich nicht verändert. Sie scheren sich nicht um Menschenrechte oder Menschlichkeit. Sie sollten keine Kontrolle über die Menschen haben. Deswegen haben wir keine Hoffnung für die Afghanistans Zukunft. Und eine letzte Sache: Bitte zeigen Sie unser Gesicht nicht.
Die Angst vor der Rache der Taliban geht in Afghanistan um. Besonders diejenigen, die mit ausländischen Truppen kooperiert haben, fürchten um ihr Leben. Im Interview schildert ein ehemaliger Informant der Bundeswehr, warum er sich in Kabul versteckt und was er von der Bundesregierung fordert.

Hinweis: Wir haben das GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) zu den Interview-Aussagen des Ex-Mitarbeiters um eine Stellungnahme gebeten. Eine Antwort steht bislang noch aus.