Afghanistan-Einsatz Mutter von gefallenem Soldaten wütend über Bonuszahlungen

Der Soldat Richard Hunt war gerade 21 Jahre alt, als eine Explosion sein Fahrzeug bei einer Patrouille in Afghanistan zerfetzte. Für einen Jahressold von rund 20 000 Pfund hatte der Brite sein Leben an der Front riskiert und war im Kampf gegen die Taliban gefallen.

Der Soldat Richard Hunt war gerade 21 Jahre alt, als eine Explosion sein Fahrzeug bei einer Patrouille in Afghanistan zerfetzte. Für einen Jahressold von rund 20 000 Pfund hatte der Brite sein Leben an der Front riskiert und war im Kampf gegen die Taliban gefallen. Als seine Mutter Hazel Hunt nun erfuhr, wie gut es vielen Beamten an ihren Schreibtischen im sicheren Verteidigungsministerium geht, kam zu ihrer Trauer noch Wut hinzu. Allein in diesem Jahr strich das Heer der Staatsbediensteten bislang 47 Millionen Pfund an Bonus-Zahlungen ein. Seit 2003 summierten sich die Sonderzahlungen gar auf 287 Millionen Pfund (317 Mio Euro). "Das ist obszön", sagt die Soldatenmutter.

Und sie erinnert an das Gehalt ihres Sohnes. Der Gefreite kam mit Zulagen auf ein Jahresgehalt von umgerechnet 22 000 Euro. "Kein einziger Beamter würde für dieses Geld an die Front gehen. Das Risiko ist 1 zu 40, dass man stirbt. Wie viele Beamte würden sich da melden?", fragt die Mutter.

Aber es geht ihr nicht nur um das wenige Geld, für das manche Soldaten ihre Haut zu Felde tragen, während die für sie zuständigen Staatsdiener Sonderzahlungen kassieren. Die Mutter des gefallenen 21- Jährigen stimmt auch in den vielstimmigen Kritiker-Chor von Militärexperten ein, die die kämpfende Truppe schlecht ausgestattet sehen und dafür ausgerechnet fehlendes Geld verantwortlich machen.

Seit Monaten bemängeln Militärs, Soldatenfamilien und die Opposition, dass für den Kampf am Hindukusch und den Transport von Soldaten zu wenig Helikopter und zu schlecht gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz sind. Viele der 232 getöteten britischen Soldaten könnten noch leben, gäbe es mehr Geld, etwa um Hubschrauber herzurichten, bemängeln die Kritiker. Einer von ihnen war Oberstleutnant Rupert Thorneloe, der seine Vorgesetzten warnte, dass Soldaten sterben werden, wenn der Lufttransport nicht gewährleistet ist. Kurz darauf starb er in den Trümmern seines Autos, das über einen Sprengsatz der Taliban gefahren war.

Zwar sind die einzelnen Bonuszahlungen - im Schnitt weniger als 1000 Pfund pro Kopf - nicht mit denen der Banker zu vergleichen. Aber wegen der zahlreichen Empfänger kamen seit 2003 Beträge zusammen, mit denen etwa fünf neue Chinook-Helikopter gekauft oder 48 Lynx Hubschrauber hätten umgerüstet werden können. Das Geld hätte auch gereicht, um 300 gepanzerte Transportwagen zu beschaffen oder 17 000 Gefreite ein Jahr lang zu bezahlen.

Vor allem passen die Boni aus Sicht vieler Briten nicht in eine Zeit, wo Unternehmen pleitegehen, Menschen erst ihre Jobs und dann ihre Wohnungen verlieren und die Regierung künftig unweigerlich die öffentlichen Ausgaben beschneiden muss, nachdem das Bankensystem mit vielen hundert Milliarden Pfund gerettet worden war. Hinzu kommt, dass viele Soldatenfamilien schon allein über die schiere Größe der Beamtenarmee im Verteidigungsministerium den Kopf schütteln. 85 000 Staatsbedienstete kümmern sich um die Belange der Streitkräfte - rechnerisch kommt ein Beamter auf zwei aktive Soldaten.

Ans Licht kamen die Zahlungen durch eine Anfrage der konservativen Opposition. Für die Regierung von Premierminister Gordon Brown kommt die Bekanntgabe der Boni zu einer schlechten Zeit. Der Rückhalt für den Afghanistan-Einsatz schwindet. Viele unterstellen Brown, die kämpfenden Truppe nicht ausreichend zu unterstützen. Brown bestreitet das. Und das Ministerium betont, die Boni hätten keinen Einfluss auf die Ausrüstung der Soldaten. Doch Ian Sadler, dessen 21-jähriger Sohn in Afghanistan starb, als sein Fahrzeug über eine Mine fuhr, bewertet die Prämienzahlungen für die Beamten anders. Sie seien "der letzte Sargnagel für Gordon Brown".

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Thomas Pfaffe/DPA