Afghanisten USA starten Großoffensive gegen Taliban

Die Sicherheitslage in Afghanistan wird immer prekärer. Allein in der ersten Juni-Woche gab es mehr als 400 Angriffe von Aufständischen. Jetzt schlagen die USA zurück: 4000 Marines und 650 einheimische Soldaten gehen seit dem frühen Morgen gegen die Taliban vor. Die Operation soll sich von vorherigen Offensiven unterscheiden.

Die US-Armee hat in der Nacht zum Donnerstag in der südafghanischen Provinz Helmand eine Großoffensive gegen die radikalislamischen Taliban gestartet. An der Operation seien 4000 US-Marineinfanteristen und 650 afghanische Soldaten beteiligt, teilte das Militär mit. Ziel sei, die Extremisten aus der Region zu vertreiben, die seit Jahren als Hochburg der Taliban gilt. Es handelt sich um die erste größere Militäroffensive im Rahmen der neuen Afghanistan-Strategie von US-Präsident Barack Obama.

"Der Einsatz unterscheidet sich von früheren durch die massive Truppenstärke und das Tempo, in dem wir vordringen", hieß es in einer Erklärung von Brigadegeneral Larry Nicholson. Die Armee werde die eroberten Gebiete zudem anders als bislang halten. Damit solle langfristig die Sicherheitslage in der Provinz verbessert und Stabilität geschaffen werden, damit die Bevölkerung eine legitime Regierung einsetzen könne. Über der Stadt Nawa südlich der Provinzhauptstadt Laschkar Gah waren in der Nacht zahlreiche Kampfhubschrauber zu beobachten.

Die USA haben in den vergangenen zwei Monaten 8500 Soldaten in die Provinz Helmand geschickt, nachdem die Angriffe der Taliban so massiv wurden wie seit ihrem Sturz vor acht Jahren nicht mehr. Nach der neuen Strategie des US-Präsidenten sollen die amerikanischen Truppen in Afghanistan um insgesamt 21.000 Soldaten verstärkt werden und es soll ein neues Schwergewicht auf die zivile und wirtschaftliche Hilfe gelegt werden.

Unterdessen nahmen die Taliban in der südostafghanischen Provinz Paktika offenbar einen US-Soldaten gefangen. Die US-Streitkräfte teilten mit, man gehe nun davon aus, dass "militante Kräfte" einen seit dem vergangenen Dienstag vermissten Soldat in ihre Gewalt gebracht hätten. Ein örtlicher Taliban-Kommandeur namens Mullah Sangon sagte, außer dem amerikanischen Soldaten hätten die Aufständischen auch drei afghanische Soldaten gefangen genommen.

Obama räumt dem Kampf gegen die Taliban in Afghanistan und im benachbarten Pakistan Vorrang vor dem Krieg im Irak ein, wo sich die Amerikaner am Dienstag bereits aus den Städten und Dörfern zurückzogen. Den eher glücklosen US-Kommandeur in Afghanistan, David McKiernan, wechselte Obama inzwischen gegen General Stanley McChrystal aus, einen Spezialisten für verdeckte Militäroperationen.

Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert sich zusehends. Allein in der ersten Juni-Woche wurden nach den Worten des Kommandeurs der US-Truppen im Nahen und Mittleren Osten, General David Petraeus, mehr als 400 Angriffe von Aufständischen verzeichnet. Das sei die höchste Zahl seit der von den USA geführten militärischen Niederschlagung des Taliban-Regimes 2001. Im Juni vergangenen Jahres habe man wöchentlich noch etwas weniger als 250 Taliban-Angriffe gezählt, im Januar 2004 seien es weniger als 50 pro Woche gewesen, sagte ein Sprecher des Vier-Sterne-Generals.

DPA · Reuters
DPA/Reuters