Vergifteter Kreml-Gegner Nowitschok-Schöpfer entschuldigt sich bei Nawalny für seine Erfindung

Dieses Foto stammt aus einem Video, das der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat
Dieses Foto stammt aus einem Video, das der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat
© Navalny Instagram/AP / DPA
Wil Mirsajanow entwickelte einst das Nervengift Nowitschok. Heute bereut er seine Schöpfung und entschuldigt sich bei Alexej Nawalny, der damit vergiftet wurde. 

Wil Mirsajanow gehörte einst zu den Wissenschaftlern, die im Kalten Krieg die Nowitschok-Kampfstoffe entwickelten. Er war einer derjenigen, die Anfang der 90er-Jahre die Öffentlichkeit über die geheime Entwicklung von Nowitschok in der Sowjetunion informierten. Nun hat sich der Chemiker bei dem russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der nach einer Vergiftung mit einem Gift aus der Nowitschok-Gruppe derzeit in der Berliner Klinik Charité behandelt wird, für seine Erfindung entschuldigt.

"Ich entschuldige mich zutiefst bei Nawalny für die Tatsache, dass ich mich an diesem kriminellen Geschäft beteiligt habe, diese Substanz zu entwickeln, mit der er vergiftet wurde", sagte Mirsajanow in einem Interview mit dem unabhängigen russischen Sender "Dozhd" am Samstagabend. Er bedauere seinen Beitrag zur Entwicklung des Giftes. 

Mirsajanow hatte ab Ende der 1980er-Jahre die Abteilung für technische Spionageabwehr an dem Staatlichen Forschungsinstitut für Organische Chemie und Technologie in Moskau geleitet. Hier wurde unter anderem daran gearbeitet, die Nachweisbarkeit der Nowitschok-Gifte so gering wie möglich zu machen. Ihre Rückstände sollten für Inspektoren der internationalen Chemiewaffenkontrolle oder Geheimagenten möglichst nicht sichtbar sein. 

1991 enthüllte Mirsajanow die Existenz dieses Nervengiftes. 1995 wanderte er in die USA aus und hat sich seitdem dem Kampf gegen den Einsatz von Militärgiften verschrieben.

Mirsajanow hat keine Zweifel an Vergiftung von Alexej Nawalny 

Dass Nawalny mit einem Gift aus der Nowitschok-Gruppe in Berührung gekommen ist, bezweifelt Mirsajanow nicht. 1993 habe er selbst einen Mann getroffen, der eine Vergiftung mit Nowitschok überlebt hatte, erzählte er im Interview weiter. Dieser Mann habe dieselben Symptome aufgezeigt wie jetzt Nawalny. "Nawalny muss Geduld haben, aber am Ende sollte er wieder gesund werden", sagte Mirsajanow. Er gehe aber von "fast einem Jahr" zur Genesung aus.

Nach Angaben der deutschen Bundesregierung wurde Nawalny "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Die Bundesregierung stützt sich auf die Analyse-Ergebnisse eines Bundeswehr-Speziallabors. Labore in Frankreich und Schweden haben diesen Befund ebenfalls bestätigt. 

Unterdessen hat Nawalny von Russland die Rückgabe der Kleidung gefordert, die er vor mehr als einem Monat am Tag seiner Vergiftung trug. "Meine Kleidung ist ein sehr wichtiger Beweis", schrieb Nawalny am Montag auf seiner Webseite. Die russischen Ermittler würden dieses "entscheidende Beweisstück verbergen". Die behandelnden Krankenhaus-Ärzte in der sibirischen Stadt Omsk sagten der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass Ermittler die Kleidung mitgenommen hätten.

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Inzwischen kann Nawalny wieder gehen. Viele Dinge fallen ihm aber noch schwer. Auf seinem Instagram-Konto dankte er seiner Frau Julia für ihre Hilfe. "Julia, du hast mich gerettet. Das soll in den Lehrbüchern über Neurobiologie ergänzt werden", schrieb der 44-Jährige. Seine Frau habe sich während des Komas stets um ihn gekümmert, mit ihm gesprochen, ihm Lieder vorgesungen und Musik angestellt. 

ivi