"Nukleare Option" Amtsenthebung gegen Joe Biden? Das schärfste Schwert der Opposition nutzt sich ab

Joe Biden Kevin McCarthy
Kevin McCarthy (l.) würde sich einem Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden nicht entgegenstellen.
© Saul Loeb / AFP
Die US-Republikaner wollen Joe Biden wegen Korruption des Amtes entheben. Es wäre das dritte derartige Verfahren gegen einen US-Präsidenten in nur vier Jahren. Erfolgsaussichten? Eher mau. Grund für das Impeachment dürfte auch Rache sein.

Der eine beißt zu viel, der andere zahlt zu wenig: US-Präsident Joe Biden hat neben seinen ohnehin schon üppig gefüllten Aufgabenzettel zwei weitere Baustellen, auch wenn sie ihn nicht direkt betreffen. So ist Familienschäferhund Commander erneut durch eine Attacke auf Mitarbeiter des Weißen Hauses aufgefallen. Sein Sohn Hunter wiederum steht vor Gericht, weil er zwei Jahre lang keine Einkommenssteuer gezahlt und verbotenerweise eine Waffe besessen hat. Dazu kommt möglicherweise noch die "nukleare Option" des politischen Systems der USA: das Amtsenthebungsverfahren.

McCarthy droht mit Amtsenthebung

"Ich glaube, wir werden das bis zum Ende durchziehen. Und das wird zu Impeachment-Ermittlungen führen, so wie es uns die Verfassung vorschreibt", sagte nun der Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy. Es war das erste Mal, dass er das Wort Impeachment, also Amtsenthebung, so deutlich im Zusammenhang mit den US-Präsidenten in den Mund nahm. Seine Worte sind als genau die Art von Drohung gemeint, nach der sie klingen. Damit erfüllt der Republikaner McCarthy Teilen der Partei einen ihrer sehnlichsten Wünsche: einen Rachefeldzug gegen die Demokraten.

Viele Konservative, vor allem die des sehr rechten Flügels, etwa die Verschwörungstheoretikerinnen Marjorie Taylor Greene und Kari Lake, fordern schon länger die Amtsenthebung Bidens. Die Abgeordnete Lauren Boebert, bekannt als Besitzerin eines Restautants, in dem die Bedienungen offen Waffen tragen, schrieb auf Twitter: "Lest und versteht, wie tief die Korruption geht. Biden sollte aus dem Weißen Haus geworfen werden. Enthebt ihn des Amts!" Korruption, finanzielle Verstrickungen – das sind die bislang noch eher vagen Vorwürfe gegen den US-Präsidenten.

"Briefkastenfirmen und Klüngeleien"?

"Unsere Untersuchungen enthüllen jeden Tag neue Details über Briefkastenfirmen der Biden-Familie und deren Klüngeleien mit dem Justizministerium. Die amerikanische Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren", schreibt McCarthy auf Twitter, ohne tatsächlich Details zu nennen. Vor einigen Tagen hatte der republikanische Senator Chuck Grassley FBI-Dokumente veröffentlicht, in denen ein Informant von einem Treffen aus dem Jahr 2016 berichtet. Damals soll der Chef des ukrainischen Energieunternehmens Burisma davon gesprochen haben, jeweils fünf Millionen US-Dollar an zwei "Bidens" gezahlt zu haben.

Bislang ist unklar, wie glaubwürdig diese angeblichen Aussagen sind und was an ihnen dran ist. Aber sie würden wiederum den Kreis zum ersten Amtsenthebungsversuch gegen Bidens Amtsvorgänger Donald Trump schließen, den die Republikaner den Demokraten bis heute übelnehmen. Damals wie heute geht es um Joe Biden und seinen Sohn Hunter. Letzterer war bis 2019 Berater bei Burisma in Kiew.

Das private Gas-Unternehmen geriet in der Zeit unter Korruptionsverdacht, gegen den Biden-Sohn aber wurde nicht ermittelt. Der damalige US-Präsident Trump witterte zwielichtige Machenschaften und Einflussnahme von Joe Biden sowie die Möglichkeit, ihm eins auszuwischen. Per Telefon versuchte er seinen Staatschef-Kollegen Wolodymyr Selenskyj zu erpressen: Entweder, die Kiewer Staatsanwaltschaft leite Ermittlungen gegen Joe und Hunter Biden ein, oder die USA verzichte auf militärische Unterstützung in Höhe von einer halben Milliarde Dollar.

Donald Trump wittert "Hexenjagd"

Diese "Ukraine-Affäre" führte zum ersten Versuch, Donald Trump des Amtes zu entheben. Der Vorwurf lautet im Wesentlichen Missbrauch des Amtseids, doch ob und inwieweit die Anklage juristisch belastbar war, war auch unter vielen Juristen umstritten. Politisch jedoch hatte das Impeachment von Beginn an keine Chance, weil die Republikaner in den entscheiden Kongresskammern Repräsentantenhaus und Senat nicht hinter Trump stehen würden. Damals wie heute beklagt Donald Trump eine "Hexenjagd" gegen ihn und kündigt an, dass die Demokraten den Tag der Verfahrenseröffnung noch bereuen würden.

Knapp zwei Jahre später starteten die Demokraten erneut ein Impeachment-Versuch gegen Donald Trump. Es war das erste Mal, dass dieses Verfahren zweimal gegen einen US-Präsidenten auf den Weg gebracht wurde. Diesmal ging es um seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. An dem Tag sollte Vize-Präsident Mike Pence eigentlich das Wahlergebnis zertifizieren und damit die Niederlage Trumps endgültig offiziell machen. Der US-Präsident aber versuchte das zu verhindern und bestellte seine Anhänger zum Kongressgebäude. Dort stürmten sie das Herz der amerikanischen Demokratie, fünf Menschen starben.

Bei der Abstimmung war Trump nicht mehr im Amt

Als Reaktion leiteten die Demokraten in nur wenigen Tagen den zweiten Anlauf zur Amtsenthebung ein. Die Zeit drängte, denn am 20. Januar war die Amtsübergabe vorgesehen. Doch wie schon der erste Versuch scheiterte auch der zweite Anlauf am Rückhalt der Republikaner für ihren Mann an der Spitze. Angesichts der erschütternden Bilder, die wenige Tage zuvor live aus den Kongresshallen gesendet wurden, räumten viele Experten dem erneuten Impeachmentverfahren bessere Chancen als dem ersten ein. Und doch haftete der Eile der Demokraten auch etwas Racheartiges an. Zumal Trump bei der entscheidenden Sitzung des US-Senats am 13. Februar schon seit 22 Tagen nicht mehr im Amt war.

In den USA, in denen für viele Ämter keine Abwahlmöglichkeiten vorgesehen sind, kommt das Impeachment zum Zuge, um schwere Verstöße gegen die Amtsführung zu ahnden – wenn nichts anderes mehr hilft. Auch deshalb wird es im Amerikanischen "nukleare Option" genannt und entsprechend schwerwiegend sind die Konsequenzen, entsprechend selten wird es angewandt. Oder besser: Wurde es angewandt. Bis 2019 gab es in der Geschichte nur drei Präsidenten, gegen die ein solches Verfahren angestrengt wurde: Andrew Johnson 1868, Richard Nixon 1974 und Bill Clinton 1998. Keines davon war erfolgreich.

Drittes Impeachment in vier Jahren?

Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden wäre das dritte innerhalb von nicht einmal vier Jahren gegen einen US-Präsidenten. Derzeit steht es um die Erfolgsaussichten nicht sonderlich gut. Allein schon wegen der Mehrheitsverhältnisse. Zwar verfügen die Konservativen über eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, nicht aber im Senat. Für die nötige Zweidrittelmehrheit dürfte es also nicht reichen. Doch die Republikaner hoffen darauf, dass das aufwendige und öffentlichkeitswirksame Verfahren im beginnenden Wahlkampf Stimmung gegen den Präsidenten machen wird. Und so wird aus der einstigen "nuklearen Option" zunehmend eine ideologische Schreckschusspistole.

Quellen: DPA, AFP, "FAZ", Lauren Boebert auf Twitter, "Economic Times", Kevin McCarthy auf Twitter