Sufians Grab ist von moslemischer Schlichtheit. Je ein grauer Stein am Kopf- und Fußende; sein Sarg, eine aus Latten gezimmerte Holzkiste. Der Friedhof liegt auf einem sandigen Hügel über Irbid, einer 500.000-Einwohnerstadt im Norden Jordaniens. Sufians Familie hat nicht viel Geld. Er war mit 21 der älteste Sohn und ihre Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft. Höflich, zurückhaltend, intelligent, gutaussehend. Er ging auf die angesehene Universität in Mosul im Irak, studierte Geografie und träumte von einer Karriere am "Royal Geografic Center" in Amman.
"Bleib wo du bist!"
Einen Tag nach den ersten Bombenangriffen rief Sufian zum letzten Mal zu Hause an. Er war nervös, aber nicht ängstlich. Sollte er im Irak bleiben oder besser nicht? Fayez Batayneh, Sufians Vater, 25 Jahre Offizier bei der jordanischen Armee, riet: "Bleib wo du bist! Die Amerikaner werden so schnell nicht auf Mosul schießen. In Mosul bist du sicher."
Sie kamen keine 100 Kilometer weit
Als am vergangenen Samstagmorgen über Satellitenfernsehen gemeldet wurde, vier jordanische Studenten seien beim Versuch, aus dem Irak zu fliehen, umgekommen, spürte Fayez Batayneh sofort, dass sein Sohn nicht auf ihn gehört hatte. Eine amerikanische Rakete war direkt neben der Straße eingeschlagen, als die jungen Männer, keiner älter als 22, mit ihrem gemieteten Toyota vorbeifuhren. 1300 mühsam zusammengekratzte Dollar hatten sie einem Fahrer für den Transport in die sichere Heimat bezahlt. Sie waren keine 100 Kilometer weit gekommen. Insgesamt starben bei dem Angriff 14 Menschen. Soweit bekannt, keine Soldaten.
Eltern toter Märtyrer wird gratuliert
Bei Sufians Beerdigung am Wochenende gratulierten die Gäste Fayez Batayneh zum Tod seines Sohnes. Das ist so im Islam, wenn der Tote als Märtyrer gilt. Fayez Batayneh rang sich jedes Mal ein Lächeln ab und sagte Sätze wie: "Ich bin stolz, dass Sufian gestorben ist." Aus der Beerdigung wurde binnen Minuten eine Demonstration. Tausende Menschen drängelten sich auf der schmalen Straße zwischen Moschee und Friedhof, so viele, dass es für den Leichenwagen kein Durchkommen gab und Sufians Sarg getragen werden musste. Männer mit Kalaschnikows schossen in die Luft, Frauen sangen, irakische Fahnen wurden geschwenkt, Parolen skandiert: "Es gibt nur einen Gott und das ist unser Gott! Nieder mit Amerika!"
Nach zwei Stunden war Sufian endlich beigesetzt, die tobende Menge zog wieder ab. Fayez Batayneh ist dann noch einmal alleine ans Grab seines Sohnes gegangen. Er hat sich in die staubige Erde gekniet, seine Hand den kalten Grabstein gelegt und geweint.