Bergbau in China Wo ein Menschenleben nichts zählt

Wegen des stetig steigenden Energieverbrauchs wächst der Druck auf die Gruben in China, immer mehr Kohle zu fördern. Viele Unternehmen wollen nur Gewinne maximieren - auf Kosten der Arbeiter.

Nirgendwo zählt ein Leben so wenig wie im chinesischen Bergbau. Nirgendwo in der Welt leben Bergarbeiter so gefährlich. Tausende sterben jedes Jahr, zehntausende erkranken an Staublunge. China produziert 35 Prozent der Kohle weltweit, meldet aber 80 Prozent der Toten im Kohlebergbau. Über den "Albtraum in den Kohlegruben" und die immer neuen Schreckensnachrichten aus Chinas Bergwerken erregen sich die Gemüter selbst im Internet-Chat-Raum des Parteiorgans "Volkszeitung". "Warum hat niemand jemals etwas von den Katastrophen gelernt? Wo ist unser soziales Gewissen?", fragt einer. "Es ist eine der vielen traurigen Geschichten über Wanderarbeiter, vielleicht auch über Missmanagement und Korruption", so ein anderer.

Haupt-Energielieferant Kohle

Der Energiemangel durch Chinas rasantes Wirtschaftswachstum hat die Kohleproduktion stark steigen lassen, im vergangenen Jahr allein um 19 Prozent.

Zu mehr als zwei Drittel stützt sich Chinas Energieverbrauch auf Kohle. Von Monat zu Monat wächst der Druck auf die Gruben, mehr Kohle zu fördern. "Die Möglichkeit von Unfälle steigt mit der Förderung, vor allem wenn die Unternehmen einfach den Profit suchen und die Sicherheit vernachlässigen", sagte Professor Wang Deming von der Universität für Bergbau und Technik in Peking in einem Interview der "Volkszeitung". "Unter bestimmten Bedingungen widersprechen sich Sicherheit und Produktion." Die Wurzel des Übels seien zu geringe Investitionen in Werksschutz, die rückständige Ausrüstung und unqualifizierte Arbeiter, sagte der Professor.

Etwa ein Drittel der großen staatlichen Kohlegruben sei überlastet, was Unfälle wahrscheinlicher mache, warnt die staatliche Arbeitsschutzverwaltung. Viele Unternehmen wollten nur Gewinne maximieren und Kosten reduzieren, investierten nur zögerlich in Sicherheitsvorkehrungen, kritisieren Experten. Es gebe zu viele Schlupflöcher, die Sicherheitsvorschriften zu umgehen. "Egal wie gefährlich die Arbeit und wie gering die Bezahlung ist, die Bergarbeiter trauen sich nicht, etwas zu sagen, weil die Grubenbesitzer eine lange Liste von Arbeitssuchenden an der Hand haben", sagte der Soziologe Li Dun von der Qinghua Universität mit Blick auf 300 Millionen überschüssige Arbeitskräfte in China.

Seit Jahren ordnen die Behörden nach jedem Unglück Inspektionen an, schließen kleine, gefährliche Gruben, die in Kollaboration mit korrupten lokalen Funktionären kurze Zeit später wieder aufmachen. Von den 28 000 Kohlegruben in China sind 24 000 kleine Bergwerke. Die Mechanisierung ist gering, die Bergleute haben wenig Schulbildung genossen und keinerlei professionelles Training als Bergmann.

Gruben reich an Gas

Eigentlich sollte die Situation in den großen staatlichen Bergwerken wie der Chenjiashan Grube, wo sich am Sonntag die Gasexplosion ereignete, besser sein. Doch sind Chinas Gruben grundsätzlich besonders reich an Gas, was die Arbeit umso gefährlicher und gute Ventilation umso nötiger macht. Gas ist die Ursache für die Hälfte aller Grubenunglücke in China.

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Andreas Landwehr/DPA