Corona-Pandemie Johnson und Macron wettern gegen Impfgegner – nur Scholz will weiter Kanzler für alle sein

Premier Boris Johnson
Premier Boris Johnson: "Es brauche keine Leute, die Unwahrheiten über die schützende Corona-Impfung verbreiten".
© PRU / AFP
Kritische Corona-Lage, verschärfter Ton: Sowohl Boris Johnson als auch Emmanuel Macron teilten zuletzt ordentlich gegen Ungeimpfte aus. Nur Deutschlands Kanzler hält sich bislang zurück.

Der Ton wird rauher. Besonders in Ländern, die stark von der Omikronwelle betroffen sind, lässt sich derzeit ein auffälliger Kommunikationswandel beobachten. Je stärker die Corona-Fallzahlen steigen, desto schärfer wird der Ton gegenüber jenen, die durch ihre Ablehnung der Impfung zum Pandemiegeschehen beitragen. 

So sorgte vor ein paar Tagen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit einem verbalen Ausrutscher für Schlagzeilen. "Ich habe große Lust, sie [die Ungeimpften] zu nerven, also werden wir fortfahren, dies bis zum Ende zu tun", hatte die Zeitung "Le Parisien" Macron zitiert. Da jedoch das im Französischen benutzte Wort für "nerven" ("emmerder") ursprünglich bedeutete "jemanden mit Exkrementen zu bedecken", sorgten die ungewöhnlich derben Worte des Präsidenten international für Aufsehen.

Doch Macron ist mit seiner Kritik nicht allein. Auch dem britischen Premier reicht es so langsam. "Ich möchte den Impfgegnern, den Leuten, die diesen Hokuspokus in den sozialen Medien verbreiten, sagen: Sie liegen völlig falsch", schimpfte Boris Johnson am Donnerstag. Diese Leute würden "völligen Unsinn über die Impfung erzählen". 

Boris Johnson: Gesundheitswesen im "Kriegszustand"

Was Großbritannien und Frankreich eint, ist die derzeit kritische Corona-Lage. Großbritannien meldete am Dienstag einen neuen Höchststand von 218.724 Neuinfektionen. Allein in England wird inzwischen jeder 15te positiv getestet. Auch wenn die Zahl der Todesfälle und der Covid-19-Intensivpatienten aktuell noch nicht signifikant steigt, bringt die Omikonwelle die britischen Kliniken an ihre Grenzen.

Das liegt vor allem daran, dass das Virus immer mehr Krankenhauspersonal aus dem Verkehr zieht. Inzwischen fallen mehrere tausend Mitarbeiter aus, bestätigte Matthew Taylor, Chef des nationalen Gesundheitssystems NHS. Viele Krankenhäuser meldeten wegen des Personalnotstands bereits "lebensgefährliche Zwischenfälle". In Teilen Nordenglands wurden Herzinfarktpatienten vom Notruf gebeten, ein Taxi zu nehmen, anstatt auf einen Krankenwagen zu warten, da es nicht mehr genügend Sanitäter gebe.

Das NHS befände sich im "Kriegszustand" warnte Boris Johnson und aktivierte kurzerhand das Militär. Rund 1800 Armeekräfte fahren bereits landesweit Rettungswagen, verabreichen Corona-Impfungen und betreuen Krankenhauspatienten, wie Verteidigungsminister Ben Wallace am Freitag mitteilte. Nun sollen etwa 200 weitere Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung des Klinikpersonals nach London entsandt werden. "Es ist eine Tragödie, dass das NHS so unter Druck steht, dass unsere Ärzte und Krankenschwestern so viele Schwierigkeiten haben", sagte Johnson. In dieser Situation brauche es nicht noch Leute, die Unwahrheiten über die schützende Corona-Impfung verbreiteten.

Macron will Regeln für Ungeimpfte verschärfen

Auch in Frankreich sorgt die Omikronvariante für neue Höchststände – zuletzt gab es mehr als 332.000 Infektionen an einem Tag. Je höher die Zahlen steigen, desto mehr gerät die Regierung in den Zugzwang, mit verschärften Maßnahmen gegenzusteuern. Dass er sich damit mitten im Wahlkampf nicht besonders beliebt macht, dürfte Emmanuel Macron bewusst sein. Bereits im Sommer zogen die eingeführte Impfpflicht für Gesundheitspersonal sowie die flächendeckenden 3G-Regeln Massenproteste nach sich.

Mit neuen Einschränkungen will die Regierung daher speziell die rund fünf Millionen Ungeimpften ins Visier nehmen. Ab Mitte Januar soll aus 3G weitgehend 2G werden – mit einem sogenannten Gesundheitspass soll der Impf- und Genesenenstatus kontrolliert werden. Für den Zugang zu Kinos, Bars und Fernzügen reicht ein negativer Corona-Test demnach nicht mehr aus. Zunächst muss jedoch noch der Senat dem umstrittenen Gesetzesvorhaben zustimmen.

Genau auf diese strengeren Maßnahmen spielte Macron an, als er davon sprach, Ungeimpfte weiter "nerven" zu wollen. Er stehe vollkommen zu seinen Äußerungen, verteidigte sich der Präsident am Freitag. "Es lag meiner Meinung nach in meiner Verantwortung, (...) ein wenig Alarm zu schlagen", sagte Macron, und genau dies habe er getan.

Scholz: "Liegt an uns, wie schwierig die Herausforderung wird"

Angesichts der steigenden Zahlen wächst auch in Deutschland der Druck auf die neue Ampel-Regierung. Am Freitag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz auf 303,4, wobei das Robert-Koch-Institut (RKI) von einer noch höheren Dunkelziffer ausgeht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder kamen daher am Nachmittag zu einer weiteren Konferenz zusammen, um die Corona-Regeln zu verschärfen. Neben verkürzten Quarantänezeiten für Geboosterte soll bundesweit 2G-Plus für den Gastronomiebereich kommen. Lesen Sie hier die neuen Regeln im Überblick.

Wie Frankreich geht Deutschland damit den Weg, die Ungeimpften mit immer mehr Einschränkungen zur Impfung zu motivieren. Ganz nach dem Motto "Alles was Spaß macht nur für Geimpfte". Im Gegensatz zu seinen britischen und französischen Amtskollegen findet Scholz bisher jedoch längst nicht so deutliche Worte für Impfgegner. Zwar betonte der Kanzler nach der MPK erneut, wie wichtig das Impfen und Boostern sei, den Fokus legte er jedoch auf die "gemeinsamen" Anstrengungen. "Es liegt an uns, wie schwierig die Herausforderung wird", sagte Scholz.

Das stimmt nur teilweise. Vor allem Ungeimpfte haben ein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, schwer zu erkranken und andere anzustecken. Mehr als 3.600 Covid-19-Patienten werden in Deutschland derzeit auf den Intensivstationen behandelt – laut aktuellem RKI-Bericht ist die deutliche Mehrheit ungeimpft. Besonders mit der sich rasant ausbreitenden Omikronvariante droht auch hierzulande das Personal in kritischen Infrastrukturen, wie Krankenhäusern, Feuerwehr und Polizei, knapp zu werden. Doch anstatt sich die Impfunwilligen verbal vorzuknüpfen, fährt der Sozialdemokrat weiter seine Zuckerbrot-Methode. Er wolle Deutschland nicht spalten und "auch der Kanzler der Ungeimpften" sein, beteuerte Scholz bereits Mitte Dezember.

Ein erstes Anzeichen, dass sich auch in Deutschland der Ton verschärft, zeigte Scholz jedoch mit einem klaren "Ja" zur allgemeinen Impfpflicht. Während sich der Kanzler in der zum Jahresbeginn neu aufgeblühten Debatte zuletzt bedeckt gehalten hatte, legte er nun nach: Es sei gut, wenn eine allgemeine Impfpflicht steht, betonte Scholz. Bleibt abzuwarten, wie sehr sich die Coronalage noch verschärfen muss, damit der Bundeskanzler ähnlich deutliche Worte für Impfgegner findet.

Quellen: "BBC", "Guardian", "France 24", "DW", Reuters, mit DPA-Material