Coronavirus-Pandemie Spanien feiert Dreikönigstag – während Omikron dem Land neue Rekordinzidenzen beschert

Menschen feiern die Heiligen Drei Könige mit einer Parade in Pamplona, während der Coronavirus-Pandemie
Mit einer Parade feiern die Menschen in Pamplona die Heiligen Drei Könige. Die Sorge vor dem Coronavirus ist trotz hoher Zahlen gering.
© Alvaro Barrientos / DPA
In Spanien gehen die Coronavirus-Zahlen trotz hoher Impfquote durch die Decke. Doch während andere Länder längst die Notbremse ziehen, fährt die Regierung in Madrid einen "Augen zu und durch"-Kurs.

Dicht gedrängt jubeln die Menschen in Madrid der schillernden Parade zu. Prunkvoll geschmückte Wagen ziehen vorbei, Akrobaten in Glitzerkostümen zeigen ihre Shows und es fliegen Süßigkeiten in die Menge. In Spanien ist der Dreikönigstag wichtiger als Weihnachten – denn hier bringen die "Reyes Magos", die Heiligen Drei Könige, die Geschenke. Während die traditionellen Umzüge, die sogenannten "cabalgatas", im letzten Jahr wegen Corona abgesagt wurden, sind die Feierlichkeiten dieses Jahr in vollem Gange.

Dabei verzeichnet das Land mittlerweile die höchste Inzidenz in ganz Europa. Mitte Oktober betrug diese noch 18, inzwischen liegt sie bei 1348. Trotz der hohen Impfquote lässt die Omikron-Welle die Infektionszahlen senkrecht ansteigen. Die Lage in den Krankenhäusern habe man im Griff, betonen die Gesundheitsbehörden. Doch die Frage ist, wie lange noch.

Coronavirus-Rekordzahlen: Wie konnte es dazu kommen?

Die hoch ansteckende Omikron-Variante hat schnell Fuß gefasst. Am 13. Dezember meldete das Gesundheitsministerium gerade einmal 36 Fälle, aktuell sind bereits 43 Prozent der sequenzierten Proben auf die neue Variante zurückzuführen. Die Dunkelziffer liegt jedoch vermutlich deutlich höher, da das Land über die Feiertage weniger Proben ausgewertet hat. Hinzu kommt, dass viele Menschen Schnelltests nur zu Hause durchführen und positive Ergebnisse oft nicht melden, wie die spanische Zeitung "El País" berichtet. Auch Kontaktpersonen von Infizierten müssen nicht offiziell gemeldet, und daher ohne Symptome auch nicht getestet werden.

Fest steht, die Omikron-Variante ist maßgeblich verantwortlich für den sprunghaften Infektionsanstieg. Doch das Szenario begann sich schon mit der Delta-Variante abzuzeichnen. Im Gegensatz zu Deutschland gingen die Fallzahlen in Spanien zwischenzeitlich nicht zurück, sondern es bildeten sich "zwei Wellen in einer", wie es die Computerbiologin Clara Prats "El País" erklärte. "Im Herbst stieg die Kurve Stück für Stück an, wie in Zeitlupe und mit einem Spielraum, um zu reagieren. Doch dann tauchte plötzlich Omikron auf und veränderte von einem Tag auf den anderen alles."

Spaniens Strategie: Augen zu und durch

Ein weiterer Grund für die explodierenden Zahlen dürfte die gelockerte Corona-Politik sein. Nachdem Spanien über den vergangenen Sommer zügig mit den Impfungen vorangekommen war, hatte die Regierung in Madrid fast alle Maßnahmen aufgehoben. Selbst als die Infektionen Anfang Dezember wieder zunahmen, sah die Politik keinen Grund der Bevölkerung neue Einschränkungen zuzumuten. Im Gegenteil, sie lockerte sogar die Isolationsregeln: Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, muss statt zehn nur noch sieben Tage in Quarantäne.

"Wir müssen mit dem Virus leben", erklärte Premierminister Pedro Sánchez – ganz nach dem Motto: Augen zu und durch. So drängten sich die Menschen noch kurz vor den Feiertagen auf den Einkaufsstraßen, in voll besetzten Restaurants und Clubs – und halfen dem Virus auf die Sprünge.

Inzwischen gleicht Spanien wieder einem Flickenteppich. Während in einigen Regionen wie Katalonien die 3G-Regel, Sperrstunden und teils nächtliche Ausgehbeschränkungen erneut eingeführt wurden, gibt es in anderen – wie etwa in Madrid oder Andalusien – kaum Restriktionen. Wie effektiv die landesweit wieder eingeführte Maskenpflicht im Freien greift, bleibt abzuwarten.

Stattdessen verlässt sich das Land bislang auf seine gute Impfquote, die eine der höchsten in Europa ist. Mehr als 90 Prozent der über 12-jährigen Bürgerinnen und Bürger sind doppelt geimpft – bereits rund ein Drittel aller Kinder zwischen fünf und zwölf haben die erste Dosis bekommen. Auch die Booster-Kampagne läuft auf Hochtouren, wobei die Quoten laut Einschätzungen von Experten vor allem für die gefährdeten Älteren noch zu niedrig sind.

Drohender Personalmangel in Krankenhäusern

Trotz der hohen Infektionszahlen betrachtet das spanische Gesundheitsministerium die Lage in den Krankenhäusern angesichts der erfolgreichen Impfquote für kontrollierbar. Erste Studien deuten daraufhin, dass die Impfung – und vor allem der Booster – in den meisten Fällen für eine symptomlose Ansteckung oder zumindest für einen milderen Krankheitsverlauf sorgt. "Nur die wenigsten Infizierten müssen auf die Intensivstation", erklärte Präsidentschaftsminister Félix Bolaños.

Die neuesten Zahlen zeigen jedoch einen besorgniserregenden Trend: Aktuell werden in den Krankenhäusern knapp 13.000 Corona-Patienten behandelt, mehr als in den vorherigen Wellen. Davon befinden sich 1983 auf der Intensivstation – doppelt so viele, wie noch vor einem Monat. Zwar sind die Hospitalisierungen damit noch weit von den katastrophalen Zuständen im Januar 2021 entfernt, dennoch wächst die Sorge über die zunehmend dünnere Personaldecke. Immer mehr Ärzte und Pflegekräfte fallen aus, da sie selbst infiziert sind oder als Kontaktperson in Quarantäne müssen.

Das heißt, selbst wenn die Omikronwelle nach Berechnungen von Experten ihren Höhepunkt voraussichtlich schon Mitte Januar erreicht, könnte das Gesundheitswesen extrem belastet werden. "Der Rückgang wird wahrscheinlich schnell sein, ebenso wie der Anstieg, aber den Krankenhäusern stehen sehr harte Wochen bevor", warnte Álex Arenas, Professor für Informatik und Mathematik an der Universität in Tarragona, im Gespräch mit "El País".

Die Situation in Spanien zeigt, dass die Omikronvariante auf ihre eigene Weise für Chaos sorgt. Zwar wird die Welle in Ländern mit hohen Impfquoten wohl nicht die Intensivstationen zum Überlaufen bringen, aber dennoch für Spannungen in den kritischen Infrastrukturen sorgen. Für die Spanierinnen und Spanier bleibt zu hoffen, dass die "Reyes Magos" am Dreikönigstag neben Geschenken nicht noch mehr Infektionen mitbringen.

Quellen: "El País", "rtve", "Die Zeit", mit DPA-Material

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