Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Kritik der EU an der Massenverhaftung regierungskritischer Journalisten in der Türkei zurückgewiesen. Brüssel solle sich "um seine eigenen Angelegenheiten kümmern", sagte Erdogan in der westtürkischen Stadt Izmit. Die EU habe kein Recht, sich in "rechtsstaatliche Schritte gegen Elemente einzumischen, die unsere nationale Sicherheit bedrohen."
Bei derartigen Maßnahmen sei es der Türkei "egal, was die EU zu sagen hat. Uns ist es egal, ob die EU uns aufnimmt oder nicht. Wir konzentrieren uns darauf, unsere nationale Sicherheit zu schützen", sagte Erdogan in seiner ersten öffentlichen Reaktion auf die Festnahmen. "Es kümmert uns nicht... behaltet eure Meinung für euch." Er verbat sich, türkische Strafverfolger, Richter und Polizisten unter Druck zu setzen.
"Ich frage mich, ob diejenigen, die dieses Land seit 50 Jahren auf ihrer Türschwelle halten, wissen, was dieser Schritt bedeutet", sagte der Präsident. Er fügte hinzu, dass "Elemente, die unsere nationale Sicherheit bedrohen, eine angemessene Antwort erhalten" - auch wenn es sich dabei um Pressevertreter handele.
Zwei Dutzend Journalisten festgenommen
Türkische Polizisten hatten am Sonntag mehr als zwei Dutzend Journalisten festgenommen, darunter Ekrem Dumanli, Chefredakteur der auflagenstarken Zeitung "Zaman", sowie Mitarbeiter eines Fernsehsenders. Die Regierung wirft ihnen vor, Anhänger des islamischen Predigers und Erdogan-Rivalen Fethullah Gülen zu sein. Der türkische Präsident hatte am Freitag angekündigt, er werde die Gülen-Anhänger "bis in ihre Schlupfwinkel" verfolgen.
Die Medien der verhafteten Journalisten hatten unter anderem über Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder der AKP-Regierung berichtet, die im vergangenen Dezember bekannt geworden sind. Vor dem Hintergrund erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Montag, das Vorgehen der Behörden werfe Fragen über deren Motivation auf.
Kritik auch von Steinmeier
Die EU kritisierte die Verhaftungen als "unvereinbar mit der Freiheit der Medien". Diese Operation widerstrebe den europäischen Werten und Standards, hieß es in der EU-Mitteilung. Die Türkei ist seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber verhandelt.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, Ankara müsse verstehen, "dass uns die Entscheidungen, die gestern und vorgestern in der Türkei getroffen worden sind, nicht nur besorgt machen". Es gehe immerhin um die Frage, ob Grundrechte gewahrt wurden.
Erdogans Äußerungen folgten auf einen Besuch der beiden EU-Vertreter vergangene Woche. Dabei sollten die als "strategisch wichtig" bezeichneten Beziehungen zu dem Land "gestärkt" werden.