Neuer US-Präsident Etwas Obama und eine Prise Trump – Joe Bidens Bilanz nach seiner ersten Amtswoche

Die Umfragen sind gut, das Tempo rasant. Schon in seiner ersten Woche als US-Päsident zeigt Joe Biden, wie er gedenkt, die USA zu regieren: Vieles, aber längst nicht alles aus der Trump-Zeit wird rückabgewickelt und ein wenig Obama kehrt zurück.  

Joe Biden legt in seiner ersten Woche im Amt als US-Präsident ein bemerkenswertes Tempo vor. Und während die oppositionellen Republikaner in einer Mischung aus Neugier und Neid mitansehen, wie der Neue im Weißen Haus einen neuen Rekord im Erlassen von Präsidentenverfügungen aufstellt (40 in einer Woche), scheinen viele Bürger mit Biden bislang ganz zufrieden zu sein.

Mehrheit der US-Bürger zufrieden mit Joe Biden

Laut den ersten größeren Umfragen jedenfalls kommt der US-Präsident bereits auf höhere Zustimmungswerte, als sie Donald Trump jemals erreicht hatte. 54 Prozent (Monmouth-University) beziehungsweise 56 Prozent (Morning Consult) der Befragten sehen die Amtsführung des Demokraten Biden positiv. Die guten Zahlen allerdings bescheren ihm vor allem die Anhänger seiner Partei. Bei den Republikanern liegt die Zustimmungsrate bei nur 15 Prozent.

Zugegeben: Nach einer Woche im Amt lässt sich erstmal nur erahnen, wie die Arbeit des Präsidenten Joe Biden aussehen wird. Dennoch sind schon seine ersten sieben Tage eine erstaunliche Bilanz aus dem Rückgriff auf alte Obama-Zeiten mit einer Prise Donald Trump:

Präsidentendekrete: Die sogenannten "Executive Orders" von denen Biden bereits 40 in Kraft gesetzt hat, sind im Grunde genommen Aushilfsgesetze. Auf sie greifen US-Präsidenten zurück, wenn sie keine Mehrheit für ihre Verordnungen im Kongress haben oder wenn es schnell gehen muss. Sowohl Barack Obama als auch Donald Trump haben mit solchen Erlassen einen Großteil ihrer Politik gemacht. Nachteil ist, dass sie anders als beschlossene Gesetze mit einem Federstrich wieder außer Kraft gesetzt werden können.

Da Biden und seine Demokraten allerdings in beiden Kongresskammern die Mehrheit stellen, dürften viele der "Executive Orders" künftig in echte Gesetze umgewandelt werden.

Zu den wichtigsten Dekreten, die Biden bislang unterzeichnet hat, zählen:

  • die Rückkehr zum Pariser Klimaschutzabkommen
  • der Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen auf bundeseigenem Land, etwa in der Arktis
  • der Baustopp des Ölpipeline-Projekts Keystone XL
  • die Beschränkung von Privatgefängnissen
  • die Aufhebung des Transgender-Verbots beim US-Militär
  • die Verpflichtung der Bundesbehörden, einheimische Produkte zu kaufen
  • die Quarantänepflicht für Reisende aus dem Ausland
  • die Erhöhung der Lebensmittelhilfe für arme US-Bürger
  • der Stopp des Mauerbaus an der mexikanischen Grenze
  • die Aufhebung der Einreiseverbote für Menschen aus muslimischen Ländern

Eine Reihe der Erlasse sind unmittelbare Rückabwicklungen aus der Trump-Zeit wie der Stopp des Mauerbaus oder die Transgender-Regelung für Soldaten. Das Aus für das Einreiseverbot von Menschen aus muslimischen Ländern wurde von einem US-Gericht allerdings schon wieder kassiert. Die umstrittene Regelung aus den Anfangstagen der Trump-Regierung bleibt also erst einmal in Kraft – und ist ein erster Rückschlag für Joe Biden.

Rückabwicklung von Trumps Politik

Die Opposition betrachtet Bidens Dekrete mit Skepsis, nicht nur wegen seiner Eile, sondern auch weil zahlreiche Entscheidungen Trumps rückgängig gemacht werden. "Das Ausmaß von Joe Bidens Dekreten und ihre Auswirkungen auf die Amerikaner sind heftig", sagt etwa der republikanische Senator Tom Cotton. Konkret erinnert er an die vielen Auflagen für Unternehmer, die die Umweltschutzmaßnahmen mit sich brächten. Marco Rubio, einer der neuen Wortführer der konservativen Partei, spricht davon, dass Biden die "Wunschliste der äußersten Linken" abarbeiten würde.

Lob allerdings gibt es für Bidens Kurs in der Handelspolitik, vor allem wohl deshalb, weil der neue US-Präsident im Wesentlichen den Kurs des alten Präsidenten weiterführt. Die designierte Handelsministerin Gina Raimondo kündigte an, gegenüber China "sehr aggressiv zu sein, um den Amerikanern dabei zu helfen, sich gegen die unfairen Praktiken Chinas zu wehren", wie sie bei einer Anhörung jetzt sagte. Schon Donald Trump hatte versucht, harte Kante gegen Peking zu zeigen, was in den USA überparteilich begrüßt wurde. Ins Visier nimmt Gina Raimondo neben den Dumpingpreisen für Stahl und Aluminium auch den Telekommunikationskonzern Huawei. Ob das Unternehmen wegen Sicherheitsbedenken weiter auf der schwarzen Liste bleiben sollte, ließ sie offen, allerdings verspricht sie "die Amerikaner und unsere Netzwerke von chinesischen Eingriffen zu schützen". Dies gelte auch für andere chinesische Firmen.

Neuer Sound für Freund und Feind

In der Außenpolitik werden sich manche Staats- und Regierungschefs an einen neuen Sound gewöhnen müssen – was nicht allen gefallen dürfte. Während Europäer und andere US-Verbündete die Rückkehr eines freundlich-höflichen Tons begrüßen, wird die zuletzt unterwürfige Haltung gegenüber Staaten wie Russland wohl der Vergangenheit angehören. Zwar konnten sich Washington und Moskau rasch auf die Verlängerung des atomaren Abrüstungsvertrags New Start verständigen, doch das war es auch schon mit den Übereinstimmungen.

Bei seinem ersten Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin hatte Biden offenbar diverse kritische Themen angesprochen: den Ukrainekonflikt, den Giftanschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny, die Einflussnahme auf die US-Wahlen, den groß angelegten Hackerangriff auf amerikanische Behörden und Unternehmen, der nach Einschätzung von US-Sicherheitsdiensten auf das Konto Moskaus ging. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte später, dass es für einen Neustart der Beziehungen "natürlich keine Voraussetzungen gebe".

Auch eine eher banale Veränderung unter Biden: Wie es noch bis in die Anfangszeit der Trump-Präsidentschaft üblich war, wird die Presse nun wieder täglich über das Treiben im Weißen Haus unterrichtet. Der letzte Amtsinhaber hatte irgendwann die Lust an diesen Runden verloren. Die neue Regierungssprecherin Jen Psaki betonte bei einem ihrer ersten Auftritte eine verloren geglaubte Selbstverständlichkeit: Nämlich wie wichtig es sei, dass nun wieder "Wahrheit und Transparenz in den Presseraum zurückkehrt."

Quellen: "Five Thirty Eight", Yahoo News, DPA, AFP, Axios, "Japan Times", "Washington Times"

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