Er hat eine Stunde Zeit mitgebracht und eine klare Botschaft. "Mehr Integration in Europa braucht mehr Demokratie, mehr Legitimierung", sagt José Manuel Durao Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, im Interview mit dem stern. Er sitzt im 13. Stock des Berlaymont in Brüssel. Schwarze Ledercouch. Europa-Flagge. An den Wänden hängt Kunst aus Portugal, seinem Heimatland. Sonst plaudert er hier mit Regierungschefs und Kanzlerinnen über die Probleme Europas.
Barroso zielt mit seiner Idee für mehr Demokratie in Europa auf die nächste Europawahl in 18 Monaten. Die Parteien des Europäischen Parlaments sollen sich auf einen einzigen Spitzenkandidaten für alle 27 Länder verständigen. Dann müsste ein Pole, der für den konservativen Parteienblock der EVP antritt, auch in Frankreich, Deutschland oder Griechenland Wahlkampf machen. "Der Sieger dieser transnationalen Wahl wäre dann der natürliche Anwärter auf den Posten des Kommissionspräsidenten", sagt er.
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Staaten teilen Souveränität
Eine interessante Idee. Vielleicht würde Europa so bei den Bürgern wieder Interesse wecken, wo sie es heute vor allem mit Krise übersetzen. Es wird aber nicht leicht sein, die Idee umzusetzen. Die Staats- und Regierungschefs müssten Macht abgeben. Bislang wählen sie und die Abgeordneten des Europaparlaments den Kommissionschef. Ob also die Idee klappt?
Barroso lacht. Die Parteien können sich auf ein solches Verfahren verständigen, sagt er. Natürlich ist der Plan kein großer Wurf. Das weiß er. Aber den will er auch nicht. Er glaubt nicht an den großen Wurf. Er glaubt an kleine Schritte, an den langsamen Wandel, an dessen Ende eine "Föderation von Nationalstaaten" entstehen könnte. "In dieser Föderation bleiben nationale Identitäten erhalten, aber die Staaten teilen Souveränität", sagt er.
Europa darf sich nicht schlecht reden lassen
Der Portugiese, der seit 2004 amtiert, arbeitet an seinem Vermächtnis. Er will den Kontinent aus der Krise führen - und wenn alle Welt die Europäer wegen ihres Krisenmanagements kritisieren, antwortet er: "Europa darf sich nicht schlecht reden lassen. Wir müssen jetzt endlich raus aus der Kuschelecke und in die Offensive gehen."
Die Staatschefs sieht er da in der Pflicht. Sie stritten mehr, als an die gemeinsame Sache zu denken: "Gibt es Gutes aus Europa zu berichten, dann waren es die Erfolge der Staatschefs. An schlechten Nachrichten ist "Brüssel" schuld. Es nützt keinem, wenn sich Mitgliedsstaaten untereinander zusätzlich auch noch wie in einem Boxkampf verhalten", sagt er.
Steuerzahler sollen nie mehr für Banken haften
Ein Thema liegt ihm besonders am Herzen. Die Bankenunion. Da sollen sich die Regierungschefs rasch verständigen. Dies sei "unabdingbar, um das Vertrauen in den Bankensektor wieder herzustellen", sagt er. Im nächsten Jahr will er ein Konzept für einen Bankenabwicklungsfonds vorschlagen, der angeschlagene Banken aufgefangen soll. "Die europäischen Steuerzahler sollen nie mehr zur Kasse gebeten werden, wenn Banken in Schieflage geraten", sagt er.
Dann ist die Stunde vorbei. Barroso eilt zu einem Treffen mit Vertretern des Europäischen Parlaments. Die Arbeit an seinem Vermächtnis ruft.