Seit heute weiß Imke Kreitz, wie Kontaktlinsenmittel schmeckt. "Ich habe es vor den Augen der Sicherheitsleute gekostet", sagt die Hamburgerin. "Aber das wäre gar nicht nötig gewesen, der Kontrollmann hat mich ausgelacht und nur am Mittel geschnüffelt." Einen Tag nach den Terrorwarnungen in Großbritannien und den verschärften Sicherheitsbedingungen an Flughäfen sind die Passagiere auf dem Weg von Hamburg nach London vor allem eins: unsicher. Keiner weiß, was er wohin mitnehmen darf.
Die einen machen sich am Freitagmorgen wie immer mit voll gepackten Handtaschen auf zur Sicherheitskontrolle, andere räumen hektisch ihr Hab und Gut von Taschen in Plastiktüten. So haben sie es gestern aus Fernsehberichten gelernt: kein Handgepäck, keine Flüssigkeiten. Der Pass und lebenswichtige Medikamente dürfen in transparenten Plastikbeuteln mit an Bord. Babymilch nur, wenn sie an der Kontrolle probiert wurde.
Aufregung höchstens über das tägliche Leben
Doch bei Flügen von Deutschland nach Großbritannien muss nicht umgepackt werden. "Flüssiges, Bücher oder Handys im Handgepäck sind nur von England zu uns nicht erlaubt oder bei Flügen nach Amerika. Aber das weiß noch nicht jeder, es ist alles ein wenig chaotisch", sagt Gordon Jenner, Verkaufsmanager bei Germanwings.
Angst vor möglichen Terroranschlägen hat auf dem Germanwings-Flug nach Gatwick kaum jemand. Die meisten haben persönliche Sorgen. "Ich fliege zum ersten Mal, das ist viel grausamer", sagt Jürgen Grebe aus Hildesheim und faltet die Zeitung mit dem Schlagwort "Massenmord" auf seinem Schoß. "Aber es wäre mir schon lieber gewesen, wenn die Terrorgeschichte nicht ausgerechnet jetzt passiert wäre." Neben ihm schimpfen zwei Mädchen über die Mieten in London und ihren porösen Nagellack. Aufregung verursacht hier höchstens das tägliche Leben.
Unendliche Menschenschlangen in Gatwick
Anders in Gatwick. Auf einem der größten Flughäfen Großbritanniens winden sich unendliche Menschenschlangen. Deren Anfang und Ende vermischen sich zu einem riesigen Menschenknäuel. Auch am Tag, nachdem die britische Regierung verkündete, einen verheerenden Terroranschlag in mehreren Flugzeugen verhindert zu haben, heißt es warten, warten, warten. Jeder trägt das Accessoire der Stunde, eine durchsichtige Tüte mit den wenigen erlaubten Habseligkeiten, durch die Hallen.
Helfer des Flughafenbetreibers in gelben T-Shirts bilden leuchtende Rettungsinseln für rat- und tütenlose Passagiere. "Die Leute sind schon etwas genervt", sagt Michael, der Plastikbeutel verteilt und den Ärger vieler Reisender abbekommt. "Ich stehe seit drei Stunden in irgendwelchen Schlangen", sagt Carly Redgers, die nach Atlanta will. Schon zu Hause hat sie ihr Handgepäck in einen überdimensionalen Koffer gepackt, der nun zu platzen droht. Voller Mitleid guckt sie auf Männer, Frauen und Kinder, die vor ihr in den Koffern wühlen. Sie alle hoffen, unerlaubtes Handgepäck doch noch darin verstauen zu können. "Vielleicht lehrt uns das alles auch, dass wir viel zu viel Zeug besitzen", sagt Redgers nachdenklich.