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Annäherung an Russland Griechenland: Mit Putin aus der Sackgasse

Seit 2010 hängt Griechenland am europäischen Geldhahn. Die Griechen leiden. Glühende Putin-Verehrer in Hellas sehen nun ihre Chance gekommen. Für sie gibt es nur eine Lösung: die Anlehnung an Russland unter Präsident Putin.               
Von Ferry Batzoglou

Athen. Mitglied in der EU, ferner in der Eurozone und sowieso schon lange in der Nato: Griechenland ist formal fest im Westen verankert.

Griechenlands früherer charismatischer Premier und Staatspräsident Konstantinos Karamanlis, der sein Land 1979 in die damalige EG, dem Vorläufer der EU, führte, gab schon früh die Marschrichtung vor. Sein Credo: "I Ellada aniki stin Disi !" ("Griechenland gehört zum Westen!"). Unwiderruflich.

Das sieht Iwan Savvidis ein bisschen anders.

Einen Namen hat sich Savvidis, 57, der Pontosgrieche ist, aber die Sprache seiner vor Jahrtausenden am Schwarzen Meer angesiedelten hellenischen Vorfahren nie gelernt hat, in seiner "historischen Heimat", wie er Griechenland stets nennt, bereits seit geraumer Zeit gemacht.

Auf Rang 30 der reichsten Russen 

Das hat vielfältige Gründe: Im Ort Santa in Georgien geboren, wuchs Savvidis in der südrussischen Industriestadt Rostow am Don auf. Der kleine Ivan verdingte sich zunächst als Clown und brachte es dann vom einfachen Arbeiter zu Sowjetzeiten zum Chef der Firma Donskoy Tabak CJSC, des größten Tabakherstellers in Russland.

Unterdessen hat Savvidis ein Firmen-Imperium aufgebaut. Zur Firmengruppe Agrocom, die in Rostow ansässig ist, zählen mehr als 40 Unternehmen mit über 15.000 Mitarbeitern. Ob die Fleischverarbeitung, Fischzucht, Produktion von Tafelwasser oder Tabak: Savvidis' Agrocom zählt mit einem Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Euro zu Russlands 200 grössten Unternehmen. Das "Forbes"- Magazine stufte Savvidis im Jahr 2013 auf Rang 30 der reichsten Russen ein.

"Ich kann nicht außerhalb der Politik sein" 

Schon früh zog es den promovierten Ökonomen in die Politik. Zweimal, 2003 und 2007, wurde Krösus Savvidis mit der Putin-Partei "Vereinigtes Russland" in die russische Duma gewählt. Er sei Befürworter eines "harten Führungsstils", sagt der glühende Putin-Verehrer Savvidis.

Und: Er sei "sehr stolz darauf, ein russischer Bürger zu sein". "Ich werde immer für die Interessen meines Landes eintreten", hebt Savvidis unverhohlen hervor. Das darf er auch - und zwar mit Putins' Segen: Seit 2012 ist Savvidis Mitglied des Rates für internationale Beziehungen des Präsidenten von Russland.

Seit 2004 ist Savvidis zudem Präsident der griechischen Gemeinden in Russland - ein Schlüsselamt an der Schnittstelle zwischen dem russischen Riesenreich und Griechenland. "Ich kann nicht außerhalb der Politik sein", sagt Savvidis stets. Er verstehe sich als "Lobbyist Griechenlands in Russland und Russlands in Griechenland".

Einflussgewinn im Eiltempo

Offensichtlich mit Erfolg: Die Russische Föderation hat ihn wiederholt wegen seiner "Verdienste für das Vaterland" ausgezeichnet.

In Griechenland birgt Savvidis’ Credo aber durchaus Brisanz. Er "hoffe von ganzem Herzen", so Savvidis unverblümt, die "hellenische Polit-Elite werde endlich einsehen", dass die Anlehnung an die Vereinigten Staaten von Amerika und Westeuropa "Griechenland in die heutige verzweifelte Lage manövriert" habe.

"Griechenlands Rettung" befinde sich hingegen "in der christlich-orthodoxen Welt, in der Russland das größte und reichste Land" sei. 

Derweil ist der glühende Befürworter einer Allianz zwischen Athen und Moskau, der erst im März 2013 die griechische Staatsbürgerschaft erlangte, intensiv darum bemüht, seinen Einfluss im Dauerkrisenland Hellas im Eiltempo auszubauen.  

Savvidis' klare Botschaft

Im Jahr 2012 übernahm er die Aktienmehrheit an Griechenlands zweimaligem Fußball-Meister Paok Saloniki. Damals lagen die Schwarz-Weißen finanziell am Boden. Auch sportlich drohte Paok der Absturz. Doch Savvidis hat den Klub mit seinen Millionen rasch wieder auf Vordermann gebracht. In Griechenlands 16 Vereine umfassender Super League knüpfte Paok auf Anhieb beinahe an alte, glorreiche Zeiten an. Paok will sich nun auch auf internationaler Bühne einen Namen machen - in diesem Jahr in der Europa League.

Paok Saloniki mit seinen landesweit über eine Million Anhängern ist dabei für den umtriebigen Savvidis faktisch vor allem eines: der optimale Katalysator. Den Power-Pontier nennen die Paok-Hooligans jedenfalls liebevoll nur: "Iwan, der Schreckliche."  

Das Fürchten lehrt Savvidis der Konkurrenz in Hellas auch in der Wirtschaft. Im Frühjahr 2013 erwarb Savvidis die Mehrheit an dem griechischen Tabakproduzenten Sekap. Ferner sicherte er sich das Management des Luxushotels "Makedonia Palace" im Herzen der Ein-Millionen-Metropole Thessaloniki, einer beliebten Unterkunft der einheimischen Polit-Oberen. Ein symbolträchtiger Coup. 

Doch damit nicht genug: In diesen Tagen siegte Savvidis im Kampf um die Übernahme des nordgriechischen Mineralwasserproduzenten Souroti gegen einen übermächtig scheinenden Kontrahenten: den US-Riesen Coca Cola. 

Savvidis' klare Botschaft: Den Krieg gegen den Westen gewinne ich!

Irritationen in den USA

Der jüngste Savvidis-Triumph: In diesen Tagen ergatterte sich der russisch-griechische Tycoon bei einer turbulenten Auktion, die die Athener Links-Rechts-Regierung unter dem gezähmten Spargegner Alexis Tsipras initiierte, für sagenhafte 61,5 Mio. Euro eine der begehrten vier privaten Fernsehsendelizenzen. 

Doch das oberste Verwaltungsgericht kippte ausgerechnet just jenes Gesetz der Regierung Tsipras, das die Grundlage für die besagte TV-Auktion ist. Dennoch: Savvidis wird wohl wie die anderen Bewerber in der TV-Auktion bald eine TV-Lizenz erhalten. 

Daher schrillen in ganz bestimmten Machtzentren fernab von Hellas die Alarmglocken. Dem Vernehmen nach habe der möglicherweise bald anstehende Betrieb des Savvidis-Senders bei US-amerikanischen Beobachtern, gelinde gesagt, Irritationen ausgelöst. Sie fragen sich: Wie weit geht der Putin-Mann Savvidis im traditionell westlich orientierten Griechenland noch?

Fakt ist: Sein ambitioniertes Engagement im Profi-Fußball, seine Geschäfte in neuralgischen Wirtschaftsbereichen und nun auch Medienmogul: In Griechenland bergen Aktivitäten in diesem Dreieck unstrittig ein geballtes Machtpotential.

Gleichwohl: Eine politische Partei in Hellas hat Savvidis noch nicht ins Leben gerufen.

Russophile Partei in Griechenland gegründet

Dies tat kürzlich aber Kyriakos Velopoulos, 50, in Deutschland geboren, ultrakonservativ, tiefreligiös, von Beruf Journalist, rhetorisch überaus begabt, den in Griechenland jedes Kind kennt. Der Name der neuen, betont russophilen Partei: "Elliniki Lysi" ("Griechische Lösung"). 

Sie ortet "die Lösung" aber weniger zu Füssen der Akropolis, wie der Parteiname suggerieren mag, als vielmehr im fernen Moskau. Denn: die "Unterwürfigkeit Griechenlands gegenüber dem Westen", allen voran gegenüber den Machtzentralen in Berlin, Brüssel und Washington, sei "die Wurzel allen Übels", so Velopoulos' Lesart. 

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So bleibe Hellas, wie Velopoulos zuletzt bei einer flammenden Rede vor knapp 3.000 begeisterten Anhängern in Piräus polterte, keine andere Wahl, als sich unverzüglich vom Westen abzuwenden und sich flugs mit den Russen im allgemeinen und Putin im besonderen zu verbünden.

Velopoulos' griffiges Argument: Putin und Co. seien nicht zuletzt wie die Griechen christlich-orthodox und würden so den Hellenen - im Gegensatz zu den bösen Westlern - auf Augenhöhe begegnen. Mütterchen Russland eben. Klingt wie Savvidis.

Roter Teppich für Lawrow

Ist es auch. Velopoulos stammt übrigens aus Thessaloniki, Savvidis' neuer Wahl-Heimat. Überdies ist Velopoulos ein leidenschaftlicher Fan von Paok Saloniki, dem besagten Savvidis-Klub. Aber das hat ja alles nichts zu heißen. Oder vielleicht doch?

Und da ist nicht zuletzt Athens Regierungschef Alexis Tsipras: Wie Frankreichs Präsident Francois Hollande in dem jüngst erschienenen Buch "Ein Präsident sollte so nicht reden" enthüllt, habe Putin ihn Anfang Juli 2015 angerufen und mitgeteilt, dass Tsipras ihn gefragt habe, ob Moskau für Griechenland Drachmen drucken könne. Dies habe Tsipras damit begründet, dass es im Euro-Land Griechenland mittlerweile keine Druckmaschinen mehr gebe.       

Schnee von gestern, möchte man spontan meinen. Wie auch immer: Russlands Aussenminister Sergej Lawrow ist am Dienstag in Athen eingetroffen - mit einer vollen Agenda. Ihm rollen die Griechen den roten Teppich aus: Heute Mittwoch trifft Lawrow Griechenlands Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos sowie Premier Tsipras.

Im Vorfeld verkündete das russische Aussenministerium per offizielle Mitteilung, wozu die zweitägige Visite von Lawrow in Athen diene: "Zur Vertiefung der russisch-griechischen Beziehungen".     

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