Noch bis vor Kurzem wurde der britische Finanzminister Rishi Sunak als aussichtsreichster Nachfolger von Premier Boris Johnson gehandelt. Doch nun steht der konservative Politiker wegen des Steuerstatus seiner Ehefrau heftig in der Kritik.
Akshata Murthy, die Tochter eines indischen Milliardärs und Partnerin von Sunak, bestätigte einem Bericht der Zeitung "The Independent" zufolge, dass sie "für britische Steuerzwecke als Nichtansässige behandelt wird". Dieser sogenannte "non-domiciled" Status ermöglicht es Menschen, die keinen Wohnsitz in Großbritannien haben, Steuern auf ausländische Einkünfte zu vermeiden.
Für jemanden wie Murthy, die Anteile am IT-Familienimperium im Wert von rund 690 Millionen Pfund (825 Millionen Euro) besitzt, bedeutet das eine ganze Menge eingesparter Steuern. Die jüngsten Berichte des Unternehmens deuten darauf hin, dass die Anteile ihr im letzten Steuerjahr 11,6 Millionen Pfund an Dividendenzahlungen eingebracht hat. Zwar ist die 42-Jährige offiziell berechtigt, diesen Steuerstatus zu beanspruchen. Es wirft jedoch eine politisch heikle Frage auf, da Murthy damit erklärt, dass das Vereinigte Königreich - das Land, in dem ihr Ehemann das zweitwichtigste politische Amt innehat – nicht ihr ständiger Wohnsitz ist.
Akshata Murthy – reicher als die Queen?
Am Freitag gab Murthy dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit nach und kündigte an, in Zukunft britische Steuern zu zahlen. Sie verstehe, dass viele der Meinung seien, dass ihre Steuerregelung nicht "mit dem Job [ihres] Mannes als Finanzminister vereinbar seien", sagte Murthy, und fügte hinzu, dass sie den "britischen Sinn für Fairness" schätze. Sie gab an, künftig Steuern auf alle weltweiten Einnahmen sowie für das letzte Steuerjahr zu zahlen, rückwirkende Einkünfte ausgenommen.
Akshata Murthy wuchs im indischen Mumbai als Tochter eines Tech-Milliardärs auf. Sie studierte Modedesign und Vertrieb in Los Angeles und machte später ihren Master an der Stanford University, wo sie auch ihren zukünftigen Ehemann Rishi Sunak kennenlernte. Nach Stanford arbeitete Murthy als Marketingdirektorin für einen niederländischen Tech-Fonds, bevor sie 2007 ihr eigenes Modelabel Akshata Designs gründete – was sich jedoch als Flop herausstellte. Das Paar heiratete 2009 in Indien und zog vier Jahre später nach Großbritannien, kurz bevor Sunak Abgeordneter wurde.
Heute stammt Murthys Vermögen aus ihrer 0,93 Prozent-Beteiligung an Infosys, dem Tech-Dienstleistungsimperium, das ihr Vater aufgebaut hat. Der Wert ihrer Anteile wird auf rund 690 Millionen Pfund geschätzt – womit sie angeblich reicher als Queen Elizabeth II. wäre.
Der "Guardian" schätzt, dass Murthy aufgrund ihres Steuerstatus, für den sie derzeit 30.000 Pfund jährlich zahlt, potenziell rund 20 Millionen Pfund an Steuern vermieden hat. Als Steueransässige im Vereinigten Königreich müsste sie pro Jahr voraussichtlich circa 4,5 Millionen Pfund Steuern auf ihre geschätzten 11,5 Millionen Pfund jährlichen Dividenden zahlen. Ihren "non-dom" Status will Murthy jedoch behalten. Dieser könnte es ihrer Familie ermöglichen, legal die Zahlung der Erbschaftssteuer zu vermeiden.
Labour Party wirft Finanzminister Intransparenz vor
Für die britische Labour Party sind die Schlagzeilen ein gefundenes Fressen. Rishi Sunak habe es durch den Status seiner Frau möglicherweise vermieden, Steuern in zweistelliger Millionenhöhe zu zahlen, während er als Finanzminister der Öffentlichkeit gleichzeitig Steuererhöhungen aufdrückte, empört sich die sozialdemokratische Partei. So beschuldigte Louise Haigh, Verkehrsministerin im Schattenkabinett, Sunak, die finanziellen Angelegenheiten seiner Familie nicht transparent zu machen, während er selbst in einer verschärften Krise der Lebenshaltungskosten Steuern für Millionen erhöhte.
"Der Finanzminister war nicht transparent. Er hat sich bei einer Reihe von Gelegenheiten zu Wort gemeldet, um zu versuchen, das Wasser um die Sache herum zu trüben und zu verschleiern", sagte Haigh in der BBC-Radiosendung "Today". "Es ist klar, dass das legal war. Ich denke, die Frage, die sich viele Leute stellen werden, ist, ob es ethisch vertretbar und ob es richtig war, dass der Finanzminister, während er die britische Öffentlichkeit mit 15 verschiedenen Steuererhöhungen überhäufte, von einem System profitierte, das es seinem Haushalt ermöglichte, möglicherweise mehrere zehn Millionen Pfund weniger Steuern zu zahlen."
Inzwischen fordern sowohl Labour Party als auch die "Liberalen Demokraten" eine Untersuchung der Frage, ob der Finanzminister wegen seiner Intransparenz gegen den Ministerkodex verstoßen hat. Neben Gerüchten über einen Green-Card-Besitz wird der Druck auf Sunak zudem durch Medienberichte erhöht, wonach sein Finanzministerium nur wenige Tage bevor er selbst die Sozialversicherungsbeiträge erhöht hatte ein neues Niedrigsteuersystem eingeführt haben soll – das offenbar darauf abzielt, einigen wohlhabenden "non-dom"-Investoren zugute zu kommen.
Daraufhin meldete sich der Finanzminister am Freitag selbst zu Wort und bestätigte die Gerüchte, dass er eine amerikanische Green Card besitze – was bedeutet, dass er sich während seiner 19 Monate als Finanzminister und insgesamt sechs Jahre als Abgeordneter für steuerliche Zwecke als "ständigen US-Bürger" ausgegeben hatte. Laut einer Quelle des "Guardian" besitzt wohl auch Akshata Murthy eine Green Card. Dies würde allerdings Sunaks Verteidigung schwächen, der argumentiert hatte, dass seine Frau den "non-dom" Status beansprucht, da sie plane, irgendwann wieder nach Indien zurückzukehren und dort zu leben.
Schlechte Aussichten für Großbritanniens Finanzminister
Unterdessen wird der Finanzminister von seiner eigenen Partei in Schutz genommen. Zwar gab Premier Boris Johnson auf einer Pressekonferenz am Freitag zu, nicht über den Steuerstatus von Sunaks Frau informiert gewesen zu sein. Er bestritt jedoch, dass in der Downing Street Stimmung gegen die Familie gemacht würde und lobte stattdessen den Minister für seine "hervorragende Arbeit".
Auch der Tory-Abgeordnete Kevin Hollinrake wies die Vorwürfe zurück, wonach Murthys "non-dom"-Status "Steuerhinterziehung" sei, und argumentierte, dass sowohl die konservative als auch die Labour-Regierung eben jenen Status ausgenutzt hätten. Im "Today"-Programm sagte er: "Dies ist keine Steuerhinterziehung. Es ist eine bewusste Politik, wohlhabende Menschen aus anderen Ländern auf der ganzen Welt nach Großbritannien zu locken, auf der Grundlage, dass sie Arbeitsplätze schaffen und Wohlstand im Vereinigten Königreich schaffen, der allen zugute kommt."
Trotz des Rückhalts seiner Partei kommen die Enthüllungen um den Steuerstatus seiner Frau für den Finanzminister zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Wegen der steigenden Inflation sieht sich Sunak - der eigentlich als aussichtsreichster Nachfolger von Premier Johnson gilt – mit den schlechtesten Umfragewerten seiner Karriere konfrontiert. Eine aktuelle YouGov-Umfrage ergab, dass seine Beliebtheitswerte in den vergangenen zwei Wochen um ganze 24 Prozentpunkte abrutschten. Der Finanzminister dürfte nun schwierige Wochen vor sich haben.
Quellen: "The Independent", "Guardian", "BBC", Twitter, mit AFP-Material