Hisbollah Sieg im Psycho-Krieg

Trotz der Bombardierungen der israelischen Armee und der zivilen Opfer sieht die Hisbollah sich nicht als Verlierer. Im Gegenteil - je länger ihr Widerstand dauert, umso stärker geht sie aus dem Konflikt hervor. Nahost-Experten sehen darin eine große Gefahr.

Der Nahost-Experte Prof. Volker Perthes sieht bei einem Andauern der Kämpfe im Libanon die Gefahr einer psychologischen Stärkung der radikalislamischen Hisbollah-Miliz. "Wenn die Hisbollah vier, fünf Wochen aushält gegen die angeblich beste Armee des Nahen und Mittleren Ostens, wird sie sagen: "Wir haben gesiegt, einfach weil wir ausgehalten haben"", warnte der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einem Gesprächmit der Deutschen Presse-Agentur.

Die Hisbollah werde dann die Diskussion auf diesen Punkt konzentrieren und nicht auf die Frage: "Wer hat diesen unnützen Krieg eigentlich angefangen und auf wessen Kosten bezahlen die Libanesen mit Leib und Leben und Vertreibung?", sagte Perthes mit Blick auf die Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah, die den Konflikt vor rund drei Wochen ausgelöst hat.

Tauschen Niederlage gegen Niederlage

Es gehe darum, die "militärische Nicht-Niederlage der Hisbollah in einen politische Niederlage umzumünzen". Dazu bedürfe es von außen großer Unterstützung für den Libanon. Bei einem Mandat für eine multinationale Truppe sollten nach Ansicht des SWP-Direktors auch Pioniereinheiten mit Selbstschutzmandat erwogen werden, die Telefon-, Strom- und Wasserleitungen sowie Straßen und Brücken notdürftig wieder aufbauen. "Das sollte nicht dem zivilen Hisbollah-Flügel überlassen werden." Die Hisbollah dürfe weder militärisch noch als "Aufbautruppe" in den Süden des Libanon zurückkehren.

Eine Entwaffnung der Hisbollah gegen deren Widerstand wäre nach Ansicht von Perthes "vermutlich unmöglich". Dies sei auch Israel in 18 Jahren Besatzung nicht gelungen. Aus dem Grund bestehe Frankreich, das als Führungsnation einer Schutztruppe im Gespräch ist, bei den UN-Beratungen zu Recht auf einem politischen Beschluss, dem sich die Hisbollah fügen oder dem sie sogar zustimmen könne. Frankreich werde als potenzieller Truppensteller deshalb sehr genau hinschauen, wie das entsprechende Mandat aussehe.

UN-Resolution unabdingbar

Als mögliche Bestandteile einer Resolution sieht der Politologe einen Hisbollah-Rückzug nördlich des Litani-Flusses und ein Prozess zur Entwaffnung oder Integration der Milizen in die libanesische Armee. "Die Franzosen sind da sehr deutlich und sagen: "Ohne die Zustimmung der Hisbollah wird das nicht gehen.""

Die Resolution sollte nach den Worten von Perthes Bedingungen für einen haltbaren Waffenstillstand und möglicherweise eine Reihenfolge von bestimmten Forderungen festlegen. "Die Feuereinstellung ist der allererste Schritt, ohne die das andere gar nicht möglich ist." Ein inhaltlicher Schwerpunkt müsse auch die notwendige internationale Unterstützung und eine etwaige Geberkonferenz für den Libanon sein.

Bombensturm auf Beirut

Unterdessen hat die israelische Luftwaffe erneut den Süden Beiruts bombardiert. Ziele seien Einrichtungen der schiitischen Hisbollah-Miliz und ein Büro der Hamas im Stadtteil Dahieh gewesen, teilten die Streitkräfte mit. Lokale Medien berichteten, Kampfjets hätten in weniger als einer Stunde 24 Angriffe geflogen. Erstmals seit Beginn des Konflikts griff Israel auch den Stadtteil Ouazi an, der ebenfalls als Hisbollah-Hochburg gilt. Fernsehbilder zeigten dort große Feuer. Zunächst war unklar, ob auch der nahe gelegene Flughafen von Beirut getroffen wurde. Auch über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Die israelischen Streitkräfte hatten am Donnerstagabend Flugblätter abgeworfen, in denen die Bewohner zum Verlassen der Gegend aufgefordert wurden.

Israelische Kampfflugzeuge flogen zudem drei Angriffe in der Nähe von Baalbek im Osten des Libanon, wie der Hisbollah-Sender Al Manar und Augenzeugen berichteten. Zuvor hatte Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah erstmals mit Raketenangriffen auf Tel Aviv gedroht. Sollte Israel Beirut weiter bombardieren, werde die Hisbollah auch Tel Aviv bombardieren, sagte Nasrallah in einer Fernsehansprache. Er bot eine Einstellung der Raketenangriffe auf israelische Städte an, wenn Israel seinerseits die Luftangriffe im Libanon beende. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Mark Regev, wies dies zurück.

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DPA/AP