Zwei Tage nach der Vorstellung der neuen irakischen Interimsregierung hat sich auch das geistliche Oberhaupt der Schiiten hinter das Gremium gestellt. Zugleich rief Großayatollah Ali el Husseini el Sistani die irakischen Politiker am Donnerstag dazu auf, sich im Weltsicherheitsrat für die Übertragung der vollständigen Souveränität am 30. Juni einzusetzen. Bei neuen Kämpfen in Kufa kamen mindestens fünf Iraker ums Leben. Ein Raketeneinschlag in Kirkuk löste eine Serie von heftigen Explosionen aus.
Ablehnung hätte Regierung geschwächt
El Sistani erklärte in Nadschaf, zwar fehle der neuen Interimsregierung die Legitimation von Wahlen und nicht alle Gesellschaftsgruppen seien in annehmbarer Weise vertreten. Dennoch sei zu hoffen, dass sie "die enorme Aufgabe bewältigt, die auf unseren Schultern lastet". Eine Ablehnung der Regierung seitens Sistanis hätte deren Glaubwürdigkeit und Machtposition enorm geschwächt. Der Großayatollah genießt unter den Schiiten, die rund 60 Prozent der irakischen Bevölkerung ausmachen, hohes Ansehen und großen Einfluss.
Über eine neue UN-Resolution zur Klärung der Befugnisse der Interimsregierung wurde im Weltsicherheitsrat weiter gerungen. Zu den Beratungen am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) war auch der irakische Außenminister Hoschjar Sebari eingeladen. Er wollte die Position der irakischen Regierung zu dem Resolutionsentwurf vorstellen. Die Vorlage stößt trotz Änderungen von Seiten der USA und Großbritanniens in mehreren Mitgliedstaaten auf Kritik, darunter auch in Deutschland.
Neue Kämpfe in Kufa
Anhänger des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada el Sadr lieferten sich in Kufa bei Nadschaf abermals Gefechte mit US-Soldaten. Damit wurde die vereinbarte Waffenruhe bereits den achten Tag in Folge gebrochen. Mindestens fünf Iraker wurden nach Angaben aus Krankenhäusern getötet, elf weitere sowie vier US-Soldaten wurden verletzt. Über den Häusern der südirakischen Stadt stieg Rauch auf.
Auf einem US-Militärstützpunkt in der nordirakischen Stadt Kirkuk schlug am Mittwochabend eine Rakete ein und löste ein Feuer in einem Munitionsdepot aus. Es kam zu mehreren gewaltigen Explosionen, so dass ein Gefangenenlager evakuiert werden musste, wie die US-Armee mitteilten. Niemand sei verletzt worden. Ebenfalls in Kirkuk versuchten Angreifer, einen Mordanschlag auf den stellvertretenden Provinzgouverneur Irfan Kirkukli zu verüben. Dieser schlug nach Angaben der irakischen Zivilstreitkräfte jedoch fehl.
Video mit italienischen Geiseln aufgetaucht
Unterdessen strahlte der arabische Sender El Dschasira eine Videoaufnahme von drei Mitte April in Irak entführten Italienern aus. Einer der Geiseln nannte in dem Film den 31. Mai als Aufnahmedatum und erklärte, die Gefangenen seien bislang hervorragend behandelt worden. Gleichzeitig wurde eine Botschaft der Entführer veröffentlicht, in der sie das italienische Volk zu Protesten gegen die Politik von Ministerpräsident Silvio Berlusconi und US-Präsident George W. Bush aufforderten. Bush wurde am späten Donnerstagabend in Rom erwartet.
Der US-Senat bewilligte Bush weitere 25 Milliarden Dollar für die Militäreinsätze in Irak und Afghanistan. Die Senatoren wiesen die Mittel jedoch zum Großteil festen Posten zu und ließen Bush lediglich freie Hand über 2,5 Milliarden Dollar. Das Geld ist für die ersten Monate des im Oktober beginnenden nächsten Haushaltsjahres bestimmt.