Irak Humor ist, wenn man trotz Bomben lacht

Nach Saddam Hussein kommt der schwarze Humor, das einzige Ventil für den Frust. Auch ohne Angst vor dem Geheimdienst trauen sich die Kabarettisten abends nicht auf die Straße.

Verschuldet, arbeitslos und genervt von regelmäßigen Stromausfällen beschließen Abu Kaduri und seine Frau, sich einfrieren und erst in besseren Zeiten wieder auftauen zu lassen. Zehn Jahre später werden sie wiederbelebt. "Mach den Fernseher an", ruft Abu seiner Frau nach dem Aufwachen zu. "Wir wollen sehen, ob Wahlen stattgefunden haben und eine demokratische Regierung an der Macht ist." Sie ruft zurück: "Geht nicht, der Strom ist ausgefallen." Die Szene stammt aus der Serie "Akid al Mikabsilin" (Junkie-Pfad), die ein irakischer Privatsender seit vergangener Woche ausstrahlt. Täglich gibt es eine neue Folge, die Einschaltquoten sind gigantisch.

Viele Iraker geben freimütig zu, dass Humor nicht zu ihren Primärtugenden zählt. Die Ägypter gelten als die Witzbolde der arabischen Welt, zwischen Euphrat und Tigris werden lieber Bücher gelesen. Doch die ungewohnte Freiheit nach dem Sturz Saddam Husseins und der elende Kreislauf aus Anschlägen, Geiselnahmen und Morden haben einen ganz eigenen Sinn für Humor hervorgebracht.

Weinen und Lachen liegen eng nebeneinander

Ironie ist ein fester Bestandteil. Sie zeigt sich in vielen Graffiti, in denen zum Beispiel die 140.000 US-Soldaten im Land aufs Korn genommen werden. Aber auch die Aufständischen, gewöhnliche Kriminelle und selbst die Parteien sind vor dem Spott nicht mehr sicher. "Der schwarze Humor, der jetzt unter anderem im Fernsehen Einzug hält, ist das einzige Ventil für unseren Frust", erzählt Kassim al Sabti, einer der bekanntesten irakischen Maler. "Erst weinen wir, und im nächsten Augenblick lachen wir - wenn wir die nächste Folge von ’Akid al Mikabsilin’ anschauen."

Kritik sein auch unter Saddam möglich gewesen

Der etablierte Kabarettist Haschem Salman ist von den neuen Sendungen nicht gerade angetan. Er kann nicht darüber lachen, dass die Iraker neuerdings immer als Diebe, Plünderer oder Junkies dargestellt werden. "Für uns Künstler war es auch unter Saddam Hussein möglich, das Regime zu kritisieren", sagt er. Sein Kollege Madschid Jassin beklagt, dass heute wegen der dramatischen Sicherheitslage Auftritte wie früher nicht mehr möglich sind. "Du kannst Dir im Moment in Bagdad keine Aufführung anschauen und dann, um 22.00 oder 23.00 Uhr, aus dem Theater kommen und nach Hause spazieren." Er tritt deswegen nur noch in vermeintlich sicheren Städten auf und meidet mit seinem Ensemble die Hauptstadt.

Trotz der Kritik: Was die Iraker jetzt ausdrücken können, und was sie täglich in "Akid al Mikabsilin" sehen, geht weit über das hinaus, was unter der Terrorherrschaft von Saddam Husseins Baath-Partei möglich war. Bis zum Fall Bagdads vor eineinhalb Jahren konnten Regimekritiker im Gefängnis landen. Manche Menschen wurden hingerichtet, nur weil sie sich abfällig über den Expräsidenten und seine Clique äußerten.

Saddam und US-Truppen im Visier der neuen Spötter

Jetzt stellen die Iraker Bilder ins Internet, auf denen Saddam Hussein veräppelt wird. Eines zeigt ihn mit Bart. Er liegt strampelnd auf dem Boden und lamentiert über die Ungerechtigkeit des Lebens. Ein weiteres zeigt ihn von Ratten angenagt und von Müll umgeben in einem Erdloch. "Ihr seid die einzigen loyalen Baath-Mitglieder, die mir geblieben sind", flüstert er den Ratten zu.

Die Zeitungskarikaturen sind voller Sarkasmus. Kürzlich druckte die halbstaatliche "Al Sabah" ein besonders bissiges Exemplar: Ein Iraker wendet sich einem US-Soldaten auf einem Panzer zu, der gerade eine Leitplanke niedergewalzt hat. "Mein Herr, fahren sie doch eine Straße weiter", sagt er. "Dort ist ein Bürgersteig, den Sie noch nicht zerstört haben."

Eine Karikatur in der Zeitung "Al Moatamar" zeigte drei Iraker in Unterhose auf einer Bank. Dem ersten sind die Augen verbunden, der zweite ist geknebelt, der dritte hat einen Lappen in jedem Ohr. Ein US-Soldat hat sich vor ihnen aufgebaut und doziert: "Demokratie, erste Lektion."

Hamza Hendawi/AP