Irak-Konflikt "Ein Präsident ohne Plan"

Der amerikanische Befehlshaber im Irak, Ricardo Sanchez, spricht inzwischen Klartext: Krieg nennt er die immer dreisteren Attacken gegen die Besatzungstruppen. Und US-Kommentatoren fragen immer offener: Wie sieht eigentlich Bushs Strategie aus?

Wir werden im Anti-Terrorkrieg siegen - das ist das Mantra, das US-Präsident George W. Bush immer wieder beschwört. Doch die Gewalt im Irak explodiert - mehr als 40 getötete US-Soldaten in zehn Tagen und der jüngste tödliche Anschlag auf die Italiener in Nasirija am Mittwoch zeigen das. Auch schwere Terroranschläge wie kürzlich in Saudi-Arabien hören nicht auf. Jetzt wurde der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, zu Krisengesprächen nach Washington beordert. US-Kommentatoren fragen immer offener: Stochern die Amerikaner im Nebel und halten sie sich an Durchhalteparolen fest? Wie sieht die Zukunftsstrategie aus?

Der US-Befehlshaber im Irak, Ricardo Sanchez, spricht inzwischen Klartext: Krieg nennt er die immer dreisteren Attacken, für die die USA Saddam-Anhänger und ausländische Kämpfer verantwortlich machen. In Washington zirkuliert ein Verschlusssache-Bericht des Geheimdienstes CIA, wonach in nächster Zeit mit noch mehr Anschlägen zu rechnen sei. Noch vor kurzen meinte Präsident Bush, die wachsende Zahl von Anschlägen zeige, dass die Reste des Saddam-Regimes angesichts ihrer bevorstehenden Vernichtung einfach immer verzweifelter würden. Inzwischen räumt er selbst ein, dass die Aufgaben schwierig sind.

"Wir werden die Aufgabe zu Ende führen"

"Wir werden die Aufgabe in Afghanistan und im Irak zu Ende führen", betonte Bush jetzt erneut. "Die Demokratie wird in den beiden Ländern siegen." Gleichzeitig wirft er den Medien vor, Fortschritte zu ignorieren und sich nur auf negative Schlagzeilen zu stürzen. Die Amerikaner erführen oft nicht die Wahrheit, weil die Fakten durch einen Medien-"Filter" liefen.

Kritiker sprechen der Regierung eine klare Strategie ab. "Die Tatsache, dass das Nachkriegs-Schlamassel zu einem Sumpf werden könnte, ist nicht eine Schicksalsfrage, sondern das Ergebnis schwacher Planung und von Wunschdenken", schrieb Autor David Rieff nach einer Reise in den Irak. Neokonservative Kräfte um Bush hätten sich in ihrer Überzeugung, als Befreier gefeiert zu werden, verrannt und Chaos-Warnungen leichtfertig in den Wind geschlagen.

"Ein Präsident ohne Plan", schrieb Kommentator William Raspberry in der "Washington Post." "Auf den gut geplanten und durchgeführten Krieg folgte ein ungeplantes Stochern im Nebel, um die Dinge zurecht zu rücken...Das Problem ist jetzt, wie wir da rauskommen, bevor das bedauerliche und tödliche Schlamassel zur vollen Katastrophe wird."

"Imperiales Abenteuer"

Michael Ignatieff, Harvard-Professor für Menschenrechte, schrieb, Intellektuelle und "moralische Autoritäten" sähen in der Intervention im Irak ein "imperiales Abenteuer, gerechtfertigt im Namen von Freiheit und Demokratie, aber aus niederen Motiven heraus ausgeführt: Öl, Macht, Rache, politische Vorteile zu Hause und ruchlose Pläne im Ausland." Ignatieff wirft der US-Regierung vor, einzig eine Machtbasis im Nahen Osten schaffen zu wollen.

Bush rechtfertigt den Einsatz im Nahen Osten dagegen mit dem notwendigen Schutz vor Terroristen. Gleichzeitig will er eine Befreiungs- und Demokratiewelle im gesamten Nahen Osten in Gang setzen. Und im Irak sei die Strategie völlig klar, betont die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. "Wir gehen durch eine schwierige Phase, aber wir haben eine klare Sicherheitsstrategie, und die wird funktionieren." So sollen immer mehr Sicherheitsaufgaben an die Iraker übertragen werden.

"Irakisierung" als Patentrezept

Beim Tauziehen um die jüngste Irak-Resolution im Sicherheitsrat stemmte sich die US-Regierung noch vor vier Wochen heftig gegen die Forderung nach schneller Machtübergabe an die Iraker. Inzwischen gilt die "Irakisierung" aber als Patentrezept. "Die Iraker werden einen immer größeren Teil der Verantwortung und der Risiken für den Schutz ihres eigenen Landes selber tragen", kündigte Bush an. Die Zahl der US-Truppen soll spätestens im nächsten Jahr verringert werden. Nun soll auch Bremer auf ziviler Seite Dampf machen, damit ein Ende des US-Einsatzes absehbar wird.

DPA
Christiane Oelrich