Am 16. März, kam in Bagdad zum ersten Mal die frei gewählte Nationalversammlung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Mit der Sitzung war der Irak der ersten demokratisch legitimierten Regierung ein großes Stück näher gekommen. Damals hatte US-Präsident George W. Bush von einem ersten Schritt und einem hoffnungsvollen Moment gesprochen. Heute tat das Parlament einen weiteren Schritt in Richtung Demokratie. Die Abgeordneten wählten den kurdischen Politiker Dschalal Talabani zum neuen irakischen Staatspräsident. Zu seinen Stellvertretern bestimmten die Abgeordneten den bisherigen Übergangspräsidenten Ghasi al Jawar, einen Sunniten, und den bisherigen Finanzminister, den Schiiten Adel Abdel Mahdi. Damit wird drei Wochen nach der Parlamentswahl der Weg für die Regierungsbildung frei.
Die Bevölkerung im Irak
Die Mehrheit der 24 Millionen Iraker teilt sich sowohl ethnisch als auch religiös in zwei Gruppen. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung sind Schiiten, ein Drittel folgt der sunnitischen Glaubensrichtung. Gut 19 Millionen Menschen sind Araber. Bei den etwa fünf Millionen Kurden im Land handelt es sich mehrheitlich um Sunniten. Nur drei Prozent der Iraker gehören religiösen und fünf Prozent ethnischen Minderheiten an.
Die ethische und religiöse Zusammensetzung des Landes ist eine Folge der Staatenbildung nach dem Ersten Weltkrieg. Die britische Kolonialmacht legte die damaligen Provinzen Bagdad, das südliche Basra und das kurdische Mossul im Norden zum heutigen Irak zusammen. Die Kurden leben vorwiegend in den autonomen Gebieten im Norden, die meisten arabischen Sunniten im zentralen Osten des Landes. Das Kernland der Schiiten liegt im Südwesten.
Obwohl die Schiiten die Mehrheit im Irak bilden, waren sie ebenso wie die Kurden jahrzehntelang Repressionen ausgesetzt. Seit der Machtübernahme der Baath-Partei 1968 bis zum Sturz des Saddam- Regimes kontrollierten die arabischen Sunniten das Land.
Allerdings hatten die Abgeordneten nur die Wahl zwischen Zustimmung oder Ablehnung. Am Morgen hatten sie Wahlzettel erhalten, auf denen nur die Namen Talabanis, al Jawars und Abdel Mahdis standen. Sie konnten also nur alle drei Kandidaten gemeinsam akzeptieren oder ablehnen. Talabani und seine Stellvertreter erhielten 227 Stimmen. 30 Stimmzettel blieben weiß, offenbar aus Protest gegen die drei Kandidaten. Die restlichen Abgeordneten waren der Abstimmung ferngeblieben.
Erster Kurde an der Regierungsspitze
Mit Talabani besetzt erstmals in der Geschichte des Irak ein Kurde den Posten des Staatspräsidenten. "Wir werden uns bemühen, nationale Stabilität zu erreichen und Mittel und Wege zu finden, damit wir die Koalitionstruppen nicht mehr brauchen, die dem Irak dankenswerterweise geholfen haben", sagte der neue Präsident nach seiner Wahl. Er und die anderen Politiker an der Spitze des neuen Staates wollten vor allem für Sicherheit sorgen, fügte er hinzu.
Der gestürzte irakische Machthaber Saddam Hussein konnte die Wahl des Kurdenführers zum Präsidenten im Fernsehen verfolgen. Der Minister für Menschenrechte in der Übergangsregierung, Bachtiar Amin, sagte dem Nachrichtensender al Arabija, man habe dafür gesorgt, dass Saddam und andere frühere Spitzenfunktionäre die Wahl im Gefängnis anschauen konnten. Sie sollten begreifen, dass ihre Ära endgültig zu Ende sei. Ob Saddam die Wahl am Bildschirm tatsächlich verfolgte, konnte der Minister jedoch nicht sagen.