Salah Abbas hat die Warnungen seiner Familie in den Wind geschlagen. Schließlich muss er fünf Kinder ernähren. Der Iraker wollte sich im vergangenen Monat für den Dienst bei der Nationalgarde bewerben. Jetzt liegt Abbas verletzt im Krankenhaus. Ein Selbstmordattentäter hatte sich in der Nähe des Rekrutierungszentrums in die Luft gesprengt.
"Lieber esse ich nur trockenes Brot"
Nach diesem Anschlag, bei dem sechs Iraker ums Leben kamen, hat Abbas seine Meinung geändert. Er wolle der Nationalgarde nicht mehr beitreten, sagt er. "Lieber esse ich nur trockenes Brot."
Immer wieder verüben Extremisten im Irak blutige Anschläge auf die Sicherheitskräfte. Polizisten und Nationalgardisten werden von Aufständischen als Kollaborateure der Amerikaner angesehen. Wie viele von ihnen bislang Terrorakten zum Opfer fielen, ist nach Angaben des irakischen Innenministeriums nicht offiziell registriert worden. Ein Mitarbeiter des Ministeriums, Generalmajor Samir al Waeli, gibt die Zahl der seit April 2003 getöteten Polizisten mit knapp 1.000 an. Nicht mitgezählt seien diejenigen, die bei Anschlägen vor Rekrutierungszentren ums Leben kamen, ebenso wenig Angehörige anderer Sicherheitskräfte, etwa der Nationalgarde.
Attentäter sind gut organisiert
Iraker, die sich um eine Stelle bei Polizei oder Nationalgarde bemühen, sind ein vergleichsweise leichtes Ziel für Attentäter. Die Behörden rufen nun Bewerber auf, nicht alle am gleichen Tag zu erscheinen. Außerdem sollten sie nicht in einer Schlange warten, sondern in den angrenzenden Straßen. Dieser Rat wurde auch den Männern gegeben, die sich ebenso wie Abbas am 22. September registrieren lassen wollten. Doch die Extremisten passen ihre Strategie an: Die Autobombe, die Abbas verwundete, explodierte nicht direkt vor dem Rekrutierungszentrum, sondern ein Stück entfernt, wo die Bewerber Dokumente kopierten, Eis aßen oder sich die Wartezeit mit Gesprächen vertrieben.
"Sie sind besser organisiert als früher", sagt Nationalgardist Anwar Mohammed Amin über die Aufständischen. "Sie warten auf eine Gelegenheit, kundschaften Ziele aus und sammeln genaue Informationen."
Strom der Bewerbungen reißt nicht ab
Trotz der Anschläge reißt der Strom der Bewerbungen nicht ab. Einige Polizisten sagen sogar, dass der Terror ihre Entschlossenheit noch verstärke, ihrem Land zu dienen. Diese Einschätzung äußerte kürzlich auch Ministerpräsident Ajad Allawi. Beim Besuch eines Rekrutierungszentrums, das tags zuvor Schauplatz eines Anschlags mit mehr als 40 Todesopfern war, habe er hunderte Freiwillige vorgefunden. "Sie alle sind euphorisch. Sie sind fest entschlossen, den Terrorismus und die Aufständischen zu besiegen", sagte Allawi.
Doch angesichts weit verbreiteter Arbeitslosigkeit scheint der monatliche Gehaltsscheck oft der wichtigste Beweggrund für eine Arbeit bei den Sicherheitskräften. Wer seinen Dienst bei der Nationalgarde antritt, kann mit umgerechnet rund 160 Euro monatlich rechnen, zuzüglich fünf Euro Essenszuschuss pro Tag, wie Generalmajor Amin sagt.
Zweifel an Loyalität
Dass dieser finanzielle Anreiz meist der Auslöser für eine Bewerbung ist, nährt Zweifel an der Loyalität mancher der Männer. Es gebe Polizisten und Nationalgardisten, die in der Manier von Doppelagenten sowohl für die Regierung als auch für die Aufständischen arbeiteten, sagt Scheich Naif al Dschaburi, Mitglied des Provinzrates von Kirkuk. Kürzlich verhafteten US-Soldaten einen Offizier der Nationalgarde, der Extremisten in Kirkuk mit Munition, Geld und Informationen versorgt haben soll.
Auch US-Soldaten äußern hinter vorgehaltener Hand Misstrauen an ihren irakischen Kollegen - ein Gefühl, das durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. "Die Amerikaner wollen keine Armee im Irak. Sie wollen keine Stabilität. Sie wollen keine Sicherheit", sagt Abbas. "Sie wollen die Zerstörung, damit sie bleiben können."