Die Bombe durchschlug das gepanzerte US- Patrouillenfahrzeug bei Kirkuk im Irak. "Fahr weiter", schreit ein Soldat seinem Kameraden am Steuer per Funk zu. "Ich kann nicht", schreit der Fahrer zurück, "ich habe keine Beine mehr."
Bei der Explosion, die sich im Juli ereignete, hatte ein kegelförmiges Geschoss die Tür durchschlagen. Dann trennte messerscharfes, glühendes Schrapnell die Beine des jungen Amerikaners ab. "Am Anfang in diesem Krieg hatten wir einen Feind, den wir sehen konnten", zitiert die "Washington Post" Sergeant Brian Zamiska. "Wir mussten uns nicht wegen jeden Kartons am Straßenrand sorgen und uns fragen, ob wir in Stücke gerissen werden. Das ist längst anders geworden."
Und wie: Fast 32 Monate nach Beginn der Irakkriegs gehen rund 60 Prozent aller Todesfälle unter den US-Soldaten auf Bomben zurück, die Aufständische selbst gebaut haben. Anschläge gibt es dadurch nicht nur häufiger - nach US-Angaben allein 2100 in den vergangenen zwei Monaten -, die Sprengsätze werden auch immer raffinierter und richten immer mehr Schaden an.
Mit jedem Einfall des US-Militärs, sich effektiver vor den Explosionen zu schützen, etwa bessere Fahrzeugpanzerung, ließen sich die Rebellen etwas Neues und Gefährlicheres einfallen, sagen Militärvertreter. Der Rundfunksender NPR zitierte unlängst einen pensionierten General mit den Worten, die USA schienen schlicht ratlos zu sein.
Bei den Soldaten wächst die Frustration
Inzwischen, so geht aus vielen US-Medienberichten hervor, wachsen bei den Soldaten vor Ort Frustration, Unmut und Enttäuschung darüber, dass die Super-High-Tech-Nation USA mit den Waffen der Aufständischen nicht fertig zu werden scheint. "Die Kommandeure draußen sagen, dieses Land kann Menschen zum Mond schicken. Warum können solche Probleme nicht gelöst werden?" zitiert die "Los Angeles Times" einen hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums.
Seit Juli 2004 gibt es eine vom Pentagon eingesetzte Arbeitsgruppe, die sich mit dem Bombenproblem beschäftigt und nach Angaben des Ministeriums auch Fortschritte erzielt hat. Sie betreffen vor allem Technologien zum rechtzeitigen Aufspüren der Bomben an Straßenrändern. Aber im selben Tempo ziehen die Aufständischen nach oder an den USA vorbei, wie Statistiken zeigen.
Danach gab es in den vergangenen drei Monaten jeweils über 1000 Sprengstoffanschläge, während im Frühjahr durchschnittlich pro Monat 700 waren. 18 Monate vergingen von der Irakinvasion im März 2003, bis der tausendste US-Soldat ums Leben kam, und nur 13 Monate dauerte es, bis sich die Zahl dann verdoppelte. Allein in den vergangenen sechs Monaten wurden etwa 220 US-Soldaten durch die so genannten improvisierten Sprengsätze getötet.
Metallsplitter verstärken die Durchschlagskraft
Früher, so sagen US-Militärexperten in der "Washington Post", seien Bomben häufig aus primitiven Gegenständen wie Cola-Dosen hergestellt worden. Heute bestünden sie oft aus mehreren Granaten und herkömmlichem Sprengstoff TNT, der mit Raketentreibstoff "angereichert" wird oder sie enthielten scharf geformten "Füllstoff", wie Metallsplitter zur Verstärkung der Durchschlagskraft.
Getarnt seien die Sprengsätze häufig als Ziegelsteine oder als Müll am Straßenrand. Sie würden immer öfter durch Mobiltelefone oder Instrumente wie Garagentüröffner ferngezündet. Daneben gebe es Bombenattrappen, um die US-Patrouillen irre zu führen und in die Falle zu locken.
"Ganz klar gewinnen wir den Wettbewerb in Sachen Taktik und Gegentaktik mit den Aufständischen nicht", sagt Michael O’Hanlon, Irakexperte der Denkfabrik Brookings Institution. "Die Fähigkeit der Aufständischen, die Bomben besser zu verstecken, aus größerer Entfernung zu zünden und sie mächtiger zu machen, ist mindestens genauso wirkungsvoll wie unser Fortschritt bei besser Panzerung und Frühentdeckung." Viel entgegenzusetzen haben die Amerikaner bislang nicht: Das Pentagon denkt nun daran, einen Vier-Sterne-General mit der Suche nach neuen Gegenmitteln zu betrauen.