Anführer der Kassam-Brigaden Das Phantom von Gaza: Mohammed Deif soll die Anschläge in Israel geplant haben

Man bekommt ihn selten zu Gesicht: Mohammed Deif, Anführer der Kassam-Brigaden, steckt hinter dem Terrorangriff auf Israel. Im TV-Sender der Hamas meldete sich Deif zu Wort, zu sehen war aber nur eine Schattierung.
Man bekommt ihn selten zu Gesicht: Mohammed Deif, Anführer der Kassam-Brigaden, steckt hinter dem Terrorangriff auf Israel. Im TV-Sender der Hamas meldete sich Deif zu Wort, zu sehen war aber nur eine Schattierung.
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Mohammed Deif ist der Anführer des militärischen Flügels der Hamas, der hinter den blutigen Terroranschlägen auf Israel steckt. Die israelische Armee jagt nun ein Phantom, das nur ein Auge und einen Arm haben soll – und Befehle mündlich oder per Zettel erteilt.

Es gibt nur dieses eine Bild von Mohammed Deifs Gesicht. Über 20 Jahre ist es alt und stammt von der palästinensischen Polizei. Deif galt zu diesem Zeitpunkt bereits als eines der meistgesuchten Hamas-Mitglieder in Israel. Im Oktober 2023 dürfte die von Israel angekündigte Bodenoffensive im Gazastreifen auch der Suche nach Deif dienen. Dem Mann, der hinter dem Blutbad in Israel vor rund einer Woche stecken soll und Israels Staatsfeind Nummer eins ist.

Deif ist der Anführer der Kassam-Brigaden, dem militärischen Zweig der Hamas. Bereits in den 90er-Jahren, als er nach und nach in den Rängen der Hamas aufstieg, soll er Selbstmordanschläge der Terrororganisation koordiniert haben. 2002 stieg er zum Anführer der Kassam-Brigaden auf, nachdem sein Vorgänger Saleh Shehada bei einem israelischen Bombenangriff ums Leben gekommen war.

Mohammed Deif auf einem undatierten Foto: Es ist das einzige Bild, das vom Anführer der Kassam-Brigaden existiert
Mohammed Deif auf einem undatierten Foto: Es ist das einzige Bild, das vom Anführer der Kassam-Brigaden existiert
© Picture Alliance

Mohammed Deif: der meistgesuchte Mann in Israel

Seitdem ist Mohammed Diab Ibrahim al-Masri, wie sein vollständiger Name lautet, an der Spitze der meistgesuchten Hamas-Mitglieder in Israel. Unter seiner Federführung soll das großflächige Tunnelsystem entstanden sein, das sich unter dem Gazastreifen befindet und von der Hamas zum Schmuggeln von Waren und Waffen, aber auch zur geschützten Fortbewegung bei Angriffen Israels genutzt wird. Auch Selbstmordanschläge und den Bau von Raketen sowie anschließende Raktenangriffe soll er als Kopf des militärischen Arms geplant haben – und auch hinter dem Terrorangriff auf Israel am vergangenen Wochenende stecken, bei dem 1400 Menschen ums Leben kamen. Gemeinsam mit Hamas-Anführer Yahya Sinwar soll Deif die Anschläge geplant haben, wobei er als Hauptverantwortlicher gilt, sagte eine Hamas-nahe Quelle der Nachrichtenagentur Reuters: "Es gibt zwei Menschen hinter der Operation, aber nur ein Mastermind".

Als dann am Samstag voriger Woche der Hamas-eigene TV-Sender ankündigte, dass Deif sich zu dem Blutbad äußere, wussten viele im Nahen Osten, dass diesmal vieles anders ist. Denn Deif tritt nie öffentlich auf, Gerüchten zufolge besitzt er nicht mal ein Handy, um keine Spuren zu hinterlassen. Befehle soll er ausschließlich mündlich oder per Zettel erteilen, seine Botschaften werden nur als Audiodateien übermittelt. Auch bei der Ausstrahlung im Fernsehen war Deif nicht zu sehen, gezeigt wurde ein Schatten eines Mannes, der Deif sein soll.

Klar zu hören aber war die Botschaft, die Deif vermittelte. Er kündigte den Beginn der "Operation Al-Aqsa-Flut" an, eine Referenz auf eines der wichtigsten muslimischen Heiligtümer, das sich auf dem Tempelberg in Jerusalem befindet. Als im Ramadan 2021 israelische Sicherheitskräfte in die Moschee eindrangen, sei bei Deif der Entschluss gefallen, die Operation zu planen, berichtet Reuters. ""Heute explodiert die Wut von Al Aqsa, die Wut unseres Volkes und unserer Nation. Unsere Kämpfer, heute ist euer Tag, um diesem Verbrecher klar zu machen, dass seine Zeit abgelaufen ist", sagt Deif in der Aufnahme.

Mohammed Deif überlebte sieben Mordanschläge

So wenig man heute über Deif weiß, so viel weiß man über seine jungen Jahre. Geboren wurde er 1965 im Flüchtlingslager Khan Younis im Süden des Gazastreifens. Kurz nach der Gründung der Hamas trat Deif der Organisation bei, wurde aber bereits zwei Jahre später wegen seiner Aktivitäten bei der Hamas in Israel festgenommen – und kam 16 Monate später wieder auf freien Fuß. Deif studierte, gefördert von der Hamas, an der islamischen Universität in Gaza Physik, Biologie und Chemie und soll bei Komödien im Theater auf der Bühne gestanden haben.

Der neuerliche Konflikt im Nahen Osten, entfacht von einem Mann, den Israel nicht zu greifen bekommt. Seit Jahren steht er an der Spitze der Fahndungsliste in Israel. Sieben Anschläge soll Deif bereits überlebt haben, den letzten 2021. Unter anderem soll er einem Tötungsversuch entkommen sein, indem er kurz vor Einschlag einer Rakete aus einem Auto sprang. Ganz unbeschadet hat Deif die Versuche, ihm das Leben zu nehmen, aber nicht überstanden. Als gesichert gilt, dass er ein Auge verloren hat. Über die weiteren Verletzungen, kursieren unterschiedliche Angaben. Deif soll demnach auch einen Arm verloren haben, ebenso ein oder gar beide Beine oder im Rollstuhl sitzen.

Bestätigt ist keine dieser Angaben, die Hamas äußert sich nie zum Gesundheitszustand von Mohammed Deif. Dieser bleibt auch weiterhin für die Israelis schwer zu fassen. Sein Kampfname Deif ist das arabische Wort für "Gast" und beschreibt den Hamas-Anführer wohl ziemlich genau. Deif soll sich selten länger als eine Nacht an einem Ort aufhalten und immer wieder neue Unterschlüpfe bei Unterstützern der Organisation aufsuchen. So entging er mindestens zwei Anschlägen aus Israel, zahlte dafür aber einen hohen Preis. Als im Krieg 2014 die israelische Armee sein Wohnhaus bombardierte, kamen seine Frau und zwei Kinder ums Leben – Deif jedoch war nicht zuhause. Vergangene Woche soll das Wohnhaus der Eltern getroffen worden sein, dabei kamen sein Bruder und zwei weitere Familienmitglieder ums Leben – aber eben nicht Deif.

Dass er sich Situationen anpassen kann, bestätigte ein ehemaliger Hamas-Anführer 2014 gegenüber der "Washington Post". "Er lebt unauffällig und lebt versteckt in der Bevölkerung", sagte Imad Falouji, der die Kassam-Brigaden mitbegründete und Deif persönlich traf. Dass er noch bis heute am Leben sei, begründete Falouji mit einem sehr kleinen Kreis an Vertrauten, die Deif um sich schare. Laut Reuters soll der Kreis so klein gewesen sein, dass selbst der verbündete Iran nicht über die Vorbereitungen informiert wurde und auch die Geheimdienste nichts von den Planungen mitbekamen.

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