Proteste in Israel Israels Demokratie steht am Scheideweg – heute ist der Tag der Entscheidung

  • von Steffi Hentschke
Die israelische Polizei treibt am Tag der Entscheidung Demonstranten auseinander, die die Straße zur Knesset blockieren
Die israelische Polizei treibt am Tag der Entscheidung Demonstranten auseinander, die die Straße zur Knesset blockieren
©  Ilia yefimovich/dpa
Heute will die Knesset ein zentrales Element der geplanten Justizreform verabschieden. Die Demokratie in Israel steht am Scheideweg. Vor dem Parlament in Jerusalem haben sich Zehntausende Gegner der Reform versammelt. Wie viel können sie noch ausrichten?

Wer verstehen will, was für ein Land Israel ist, der muss an diesen Montagmorgen in den Sacher Park in Jerusalem gehen, gelegen unterhalb der Knesset, Israels Parlament. Die will heute über einen entscheidenden Teil der umstrittenen Justizreform abstimmen, die die Regierung von Premier Benjamin Netanyahu seit Monaten vorantreibt, allem Protest zum Trotz. Tausende Gegnerinnen und Gegner des Vorhabens haben deshalb hier ihre Zelte aufgeschlagen. Schon um fünf Uhr früh stehen Menschen überall im Park und diskutieren, Kaffeegeruch zieht über die Szene.

"Hör mir zu", sagt ein Mann um die 30, die Zahnbürste in der einen, eine blau-weiße Israel-Flagge in der anderen Hand. "Warte, hör du mir zuerst zu", sagt ein anderer, Anfang 20 in der Tracht der Ultraorthodoxen mit Kippa, weißem Hemd und schwarzer Anzughose. Um ihn herum stehen drei, vier weitere junge Männer. Sie sehen aus, als seien sie unterwegs zur Tora-Schule hier vorbeigekommen. "Die diskutieren hier schon seit gestern Abend, die ganze Nacht", sagt eine Frau, Mitte 30. "Der Kampf der Frauen für Freiheit" steht auf ihrem T-Shirt. "Aber die Orthodoxen sind unsere Hoffnung. Sie sind neugierig und suchen die Diskussion mit uns, nicht wie diese Faschisten, die heute unsere Demokratie abschaffen wollen. Mit denen kannst du nicht reden."