Nach langem Ringen hat die israelische Regierung am Sonntag einen höchst umstrittenen Gefangenenaustausch mit der libanesischen Hisbollah-Miliz gebilligt. Obwohl die beiden zum Austausch vorgesehenen israelischen Soldaten vermutlich tot sind, hatte Regierungschef Ehud Olmert die Minister aufgefordert, der Vereinbarung zuzustimmen. Dabei sprach er von einer "schmerzhaften Angelegenheit" und von einem "schmerzhaften Preis", den Israel zu zahlen habe. 22 Minister votierten für den Tausch unter deutscher Vermittlung, drei dagegen, wie israelische Medien berichteten.
Israelische Geheimdienstchefs sprachen sich während der Kabinettsdebatte gegen den Handel aus. Es wird befürchtet, dass er militante Gruppen zu weiteren Entführungen ermutigen könnte. Olmert räumte zudem ein, dass die vor zwei Jahren in den Libanon verschleppten Soldaten Eldad Regev und Ehud Goldwasser höchstwahrscheinlich tot seien. Ihre Entführung hatte 2006 den Libanonkrieg ausgelöst.
Die Familien der beiden Soldaten hatten die Minister immer wieder gedrängt, für den Austausch mit der Hisbollah zu stimmen. "Wir begrüßen die Regierungsentscheidung, dem Handel zuzustimmen", sagten Sprecher der Familien Goldwasser und Regev am Sonntag. Gleichzeitig äußerten Angehörige die Hoffnung, dass die Soldaten doch noch lebend zurückkehren.
Nach israelischen Medienberichten wollte der deutsche Vermittler Gerhard Conrad nach der Billigung der Vereinbarung durch die israelische Regierung nach Beirut fliegen und ein entsprechendes Dokument auch von der Hisbollah signieren lassen. Der Gefangenenaustausch, in dessen Rahmen libanesische und palästinensische Häftlinge freikommen sollen, werde innerhalb von ein bis zwei Wochen erfolgen.
Terrorist soll freikommen
Israel soll im Gegenzug für die Soldaten unter anderem den drusischen Terroristen Samir Kuntar freilassen. Kuntar ist für den Tod von vier Israelis verantwortlich, darunter zwei kleine Mädchen im Alter von zwei und vier Jahren. Nach dem Terroranschlag von 1979 wurde Kuntar zu viermal lebenslanger Haft verurteilt. Er ist heute der am längsten in israelischer Gefangenschaft befindliche Araber.
Israel betrachtete Kuntar stets als "Verhandlungstrumpf" im Bemühen um eine Klärung des Schicksals von Ron Arad, einem seit 22 Jahren im Libanon verschollenen israelischen Soldaten. Der jetzt vom Kabinett gebilligte Tauschhandel sieht auch vor, dass die Hisbollah Informationen zu Arads Verbleib liefert.
Israel öffnete unterdessen am Sonntag nach einer fünf Tage dauernden Sperre einen Übergang für Waren in den Gazastreifen. Der israelische Rundfunk meldete, über den Sufa-Übergang sollten zunächst kleine Mengen von Gütern in das Palästinensergebiet transportiert werden. Nach einer Bewertung der Lage solle über eine mögliche Ausweitung der Lieferungen entschieden werden.
Wackelige Waffenruhe
Israel hatte die vor einer Woche im Rahmen einer Waffenruhe mit den militanten Palästinenserorganisationen wiedereröffneten Übergänge nach mehreren Raketen- und Mörsergranatenangriffen auf sein Grenzgebiet am Mittwoch erneut geschlossen. Die radikal-islamische Hamas-Organisation appellierte daraufhin an andere militante Palästinensergruppen im Gazastreifen, den Beschuss Israels einzustellen.
Israelische Soldaten erschossen in der Nacht zum Sonntag bei Tubas im nördlichen Westjordanland einen 17-jährigen Palästinenser. Ein Armeesprecher sagte, die Truppen hätten bei einer Razzia eine verdächtige Person bemerkt. Zu palästinensischen Berichten, der Jugendliche sei unbewaffnet gewesen, sagte der Sprecher, er habe Brandflaschen auf die Soldaten geworfen. Die Soldaten hätten daraufhin das Feuer eröffnet.
Für Aufsehen sorgte am Sonntag auch eine Drohung des iranischen Außenministers Manucher Mottaki gegen Israel. Für den Fall, dass Israel einen Feldzug gegen den Iran startet, erklärte er: "Sie wissen nur zu gut, welche Konsequenzen ein solches Vorgehen haben würde". Israel habe immer noch mit den Konsequenzen seines Krieges gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon zu tun. "Daher sehen wir nicht, dass sich das Zionisten-Regime in einer Lage befindet, aus der es ein solches Abenteuer wagen würde", sagte Mottaki.
Über einen Angriff auf den Iran wird vermehrt spekuliert, seit im Mai Berichte über entsprechende Übungen des israelischen Militärs bekannt wurden. Der iranische Verteidigungsminister Mostafa Mohammed Nadschar tat die Berichte zwar als "psychologische Kriegsführung" ab. Die Revolutionsgarden im Iran drohten für den Fall eines Angriffs jedoch mit massiven Einschränkungen beim Öltransport.
Der Iran würde den Persischen Golf und die Straße von Hormus unter seine Kontrolle bringen, sagte der Oberbefehlshaber der Eliteeinheit, Mohammad Ali Dschafari. Durch sie werden zwei Fünftel des weltweit gehandelten Öls verschifft. Bisher hatte der Iran nicht eindeutig signalisiert, ob das Land Öl als Waffe in einer Konfrontation einsetzen würde.