Nach dem Anschlag auf einen Nachtclub in Istanbul sind die Hintergründe der Tat weiterhin ungeklärt. Die türkischen Sicherheitsbehörden fahnden mit einem Großaufgebot nach dem flüchtigen Täter. Ministerpräsident Binali Yildirim ließ offen, in welche Richtung ermittelt werde, er sprach lediglich von einem "bewaffneten Terroristen". Bei dem Anschlag waren 39 Menschen getötet worden, unter ihnen zahlreiche Ausländer.
Unter den Opfern sind auch zwei Deutsche. Nach Angaben eines Sprechers der Stadt Landsberg am Lech handelt es sich um einen 28-Jährigen aus Landsberg und einen etwa drei Jahre jüngeren Mann aus dem nahen Kaufering.
Am Vormittag reklamierte der sogenannte Islamische Staat (IS) das Attentat für sich. Ein "Soldat des Kalifats" habe die Tat verübt, hieß es in einer im Internet verbreiteten Mitteilung. Zuletzt waren Zweifel aufgekommen, dass wirklich alle Attentate, zu denen sich der IS bekannt hat, tatsächlich auf das Konto der Terrormiliz gehen. Schon zuvor hatten die türkischen Behörden laut Medienberichten eine Verbindung zum IS hergestellt. Demnach soll der flüchtige Attentäter aus Kirgisistan oder Usbekistan stammen und in Kontakt zur Terrormiliz stehen.
Die Ermittler arbeiteten "mit Nachdruck" daran, den Täter zu identifizieren, sagte Yildirim. Innenminister Süleyman Soylu erklärte, der Attentäter habe sein Gewehr unter einem Mantel verborgen und womöglich die Kleidung gewechselt, bevor er den Club verließ. Es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe. "Ich hoffe, er wird schnell gefasst, so Gott will."
Auswärtiges Amt ruft zur Vorsicht auf
Bis zu 25 Todesopfer kamen aus dem Ausland, die meisten von ihnen aus arabischen Staaten. Laut der Regierung in Tunis wurden auch eine Franko-Tunesierin und ihr tunesischer Mann getötet. Das Außenministerium in Brüssel gab an, einer der Toten habe die belgische und türkische Staatsangehörigkeit gehabt. Auch eine Kanadierin, eine Israelin und zwei Inder sind nach Angaben ihrer Regierungen unter den Opfern.
Ob auch Deutsche verletzt oder getötet wurden, blieb zunächst unklar. Das Auswärtige Amt rief Besucher in Istanbul zur Umsicht und zur Vermeidung von Menschenansammlungen und größeren Veranstaltungen auf.
Zuletzt hatte es in der Türkei immer wieder Anschläge gegeben, die auf das Konto der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder kurdischer Extremisten gingen. Im Falle des Nachtclub-Anschlags vermieden die Behörden zunächst Schuldzuweisungen, sie benannten keine Verdächtigen.
Reisepass rettet Fußballer das Leben
Von kurdischer Seite wurde die Verantwortung für das Attentat abgewiesen. Die Agentur Firat, die der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahesteht, zitierte deren Chef Murat Karayilan mit der Aussage, dass keine kurdische Gruppierung hinter der Tat stecke.
Der Attentäter hatte früh am Neujahrstag laut türkischen Behörden zunächst einen Polizisten und einen Zivilisten erschossen, dann tötete er wahllos Partygäste im Club "Reina". In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Club mit mehreren Restaurants und Tanzflächen hielten sich zur Silvesterfeier bis zu 800 Menschen auf.
Einer von ihnen war der Fußballprofi Sefa Boydas. "Gerade als wir uns am Eingang niedergelassen hatten, gab es plötzlich Schüsse. Alles war voller Staub und Rauch", berichtete der Spieler des Istanbuler Clubs Beylerbeyi. "Als ich hinausrannte, traten die Leute auf andere Menschen." Der Libanese François al-Asmar berichtete, er habe nur dank seines Reisepasses überlebt, den er auf Höhe seines Herzens bei sich getragen habe und der eine Kugel abgewehrt habe.
Anschlag in Istanbul löst Bestürzung aus
"Sie wollen die Moral unseres Landes zerstören und Chaos verbreiten, indem sie mit diesen schändlichen Angriffen gezielt Zivilisten attackieren", erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei sei aber entschlossen, "den Kampf gegen den Terror" fortzusetzen.
Der Clubbesitzer Mehmet Kocarslan verurteilte den Angriff. "Unser Herz blutet", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Das Attentat weckte auch Erinnerungen an die islamistische Attentatserie in Paris vom November 2015, als allein in der Pariser Konzerthalle Bataclan dutzende Menschen getötet wurden.
Auch international wurde das Attentat scharf verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in einem Beileidschreiben an Erdogan von einem "menschenverachtenden und hinterhältigen Anschlag". Auch Bundespräsident Joachim Gauck äußerte "Trauer und Entsetzen" über die "perfide Tat". Papst Franziskus verurteilte in seinen Neujahrswünschen die Gewalt in Istanbul.
Das "Reina" ist eine der schicksten Adressen in Istanbul und bei Prominenten sehr beliebt. Nur wenige hundert Meter weiter fanden die offiziellen Silvesterfeierlichkeiten statt. Wegen der Anschlagsgefahr waren in Istanbul 17.000 Polizisten im Einsatz, es galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in der Innenstadt.