Japans neue Hoffnung Ex-Finanzminister Naoto Kan wird neuer Regierungschef

Er gilt als das Gegenteil des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Yukio Hatoyama: Japans neuer Staatslenker Naoto Kan tritt entschlossen und direkt auf - und soll die kriselnde zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zurück in ruhigere Gewässer steuern.

Der bisherige japanische Finanzminister Naoto Kan ist am Freitag zum neuen Ministerpräsidenten des Landes gewählt worden. In der Abgeordnetenkammer des Parlaments bekam er 313 von 477 Stimmen, kurz darauf gab auch das Oberhaus seine Zustimmung. Kan ist damit Nachfolger von Yukio Hatoyama, der am Mittwoch nach weniger als einem Jahr wegen gebrochener Wahlversprechen und eines Finanzskandals in der regierenden Demokratischen Partei (DPJ) zurückgetreten war.

Kan war wenige Stunden zuvor schon zum DPJ-Vorsitzenden gewählt worden. "Meine Aufgabe ist die Erneuerung des Landes", sagte Kan danach. Zuvor war das Kabinett zurückgetreten, um den Weg zur Bildung einer neuen Regierung freizumachen.

Auf Kan warten gewaltige Aufgaben: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ächzt unter einer hohen öffentlichen Verschuldung; weitere Probleme sind das geringe Wirtschaftswachstum und eine alternde Bevölkerung. Fast sicher ist, dass China das Land noch in diesem Jahr als zweitgrößte Wirtschaftsmacht ablösen wird. Auch um die politische Stabilität steht es in Japan nicht gut: Der 63-Jährige ist der sechste japanische Ministerpräsident in nur vier Jahren. "Als Allererstes wollen wir das Vertrauen des Volkes zurückgewinnen", sagte der neue Regierungschef.

Kans Vorgänger Hatoyama hatte sich nur acht Monate im Amt gehalten, weil er zuletzt drastisch an Rückhalt im Wahlvolk verloren hatte. Zum Verhängnis wurde ihm vor allem das Wahlversprechen, einen umstrittenen US-Militärstützpunkt auf der Insel Okinawa zu schließen. Doch dann traf er eine Vereinbarung mit den USA, die umstrittene Basis lediglich an einen anderen Ort auf Okinawa zu verlegen. Außerdem litt sein Ansehen unter einem politischen Finanzskandal, der auch den stellvertretenden Vorsitzenden der Regierungspartei, Ichiro Ozawa, zum Rücktritt zwang.

Kan gilt als Gegenteil seines Vorgängers

Kan gilt Beobachtern in einigen Punkten als das Gegenteil Hatoyamas, weil er entschlossen und direkt auftritt. Einige bezeichnen ihn auch als Populisten. Außerdem stammt der neue Regierungschef aus der Mittelschicht, womit er sich von vielen seiner Vorgänger unterscheidet, die bereits in die Elite des Landes hineingeboren wurden.

Beliebtheit erlangte Kan 1996 als Gesundheitsminister, weil er aufdeckte, dass die Regierung zuvor versucht hatte, einen Skandal um HIV-verseuchtes Blut zu vertuschen. Im gleichen Jahr war Kan einer der Protagonisten des Zusammenschlusses mehrerer kleinerer Parteien zur heutigen Regierungspartei DPJ.

Den Spitznamen "reizbarer Kan" bekam der Politiker wegen seiner gelegentlich aufbrausenden Art. Er war der erste, der einräumte, Japan befinde sich in einer Phase der Deflation, also fallender Preise. Er kritisierte die japanische Zentralbank, weil sie seiner Ansicht nach nicht genug dagegen unternahm. In einer ersten Stellungnahme deutete Kan nun an, er erwarte größere Zugeständnisse der Zentralbank in der Geldpolitik.

Außenpolitisch bestärkte Kan die enge Bindung an die USA, die er als unerlässlich bezeichnete. Er betonte aber auch die Bedeutung der Beziehung zu den Nachbarn in der Region.

APN
Tomoko Hosaka, APN