Jean-Bertrand Aristide Der "Goldschnabel" vom Volk gestürzt

Haitis Präsident Jean-Bertrand Aristide hat das Land verlassen. Das sagte ein Vertreter der Opposition am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in der Hauptstadt Port-au-Prince.

In seinen letzten Amtstagen verlor Jean-Bertrand Aristide (50) immer stärker den-Bezug zur Realität. Während bewaffnete Rebellen Port-au-Prince einschlossen und Plünderer die Straßen der Hauptstadt unsicher machten, saß der Präsident in seinem riesigen weißen Palast und versicherte in Telefoninterviews, dass er diesen erst im Februar 2006 verlassen werde. Doch schließlich holte auch Aristide die Wirklichkeit ein: Am Sonntagmorgen verließ er Haiti und flog mit einem Hubschrauber in Richtung Dominikanische Republik.

Kämpfer und Demagoge

Der ehemalige Priester hat sich in der Geschichte seines Landes, das am 1. Januar den 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feierte, als Kämpfer für die Demokratie, aber auch als Demagoge einen Namen gemacht. Seit er Ende der achtziger Jahren in die Politik ging, schieden sich an Aristide die Geister. Seine Anhänger verehrten ihn wie einen Messias, der die Armen aus ihrem Elend erlösen könne, seinen politischen Gegnern galt er als verkappter Diktator.

Radikaler Prediger

Schon seit dem Ende der Duvalier-Diktatur 1986 hatte sich der aus Port Salut im Südwesten Haitis stammende Armenpriester als radikaler Prediger einen Namen gemacht. Wegen seiner extremistischen politischen Positionen wurde er Ende 1988 aus dem Salesianer-Orden ausgeschlossen. Als Hoffnungsträger der Armen gewann er die Präsidentenwahlen im Dezember 1990 mit 67 Prozent der Stimmen.

Schon während seiner ersten Präsidentschaft hatte Aristide keine glückliche Hand. Statt den Konsens der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu suchen, polarisierte er. Unter dem Vorwurf, dass er die Armen zur Gewalt aufstachele, stürzte ihn am 30. September 1991 das Militär. Es folgten drei Jahre im Exil, und nach einem erfolglosen Embargo gegen die Junta ließ US-Präsident Bill Clinton schließlich 20 000 Soldaten in Haiti einmarschieren. Am 15. Oktober 1994 kehrte Aristide im Triumph zurück.

Von der Opposition nie anerkannt

Im Februar 1996 musste er den Präsidentensessel für seinen Freund René Preval freimachen, da die Verfassung Haitis eine unmittelbare Wiederwahl verbietet. Inzwischen zu beträchtlichem Reichtum gekommen, führte Aristide, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, von seiner Luxusvilla am Stadtrand aus eine Art Nebenregierung. Als er dann-Bei der nächsten Wahl wieder kandidierte, war das politische Klima in Haiti schon nachhaltig vergiftet. Wegen Manipulationen-Bei den Senatswahlen im Mai 2000 boykottierte die Opposition die Präsidentenwahlen im November jenes Jahres. Aristide gewann zwar mit offiziell 92 Prozent der Stimmen, wurde aber von der Opposition niemals anerkannt.

"Goldschnabel"

Aristide, so seine Kritiker, sei an demokratischen Institutionen nicht interessiert, denn er wolle keine Mittlerinstanzen zwischen sich und dem Volk. Er gilt außerdem als ein Meister der Verstellung. "Er kann sehr gut reden. Er ist das, was wir hier einen "Goldschnabel" nennen", sagt sein einstiger Weggefährte Gérard Pierre-Charles. Weil Aristide Abmachungen oft nicht einhielt, wollte sich die Opposition, die sich in der Demokratischen Plattform zusammengeschlossen hatte, auch nicht mehr auf Kompromisse mit ihm einlassen. Erst sein Rücktritt bietet nach ihrer Auffassung die Chance für einen Neuanfang im ärmsten Landes des amerikanischen Kontinentes.

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Klaus Blume/DPA

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